Leitsatz (amtlich)
Die Vergütung des Sicherheits und Gesundheitskoordinators richtet sich nicht nach der HOAI. Deshalb gilt insb. kein Schriftformerfordernis für den Vertragsabschluss.
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Beschluss vom 20.11.2003; Aktenzeichen 9 O 314/03) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für den in der Klageschrift vom 22.10.2003 enthaltenen Antrag bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt S. K. in H. zu den Bedingungen eines in L. ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet.
1. Das LG hat eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage zu Unrecht mit der Begründung verneint, die Tätigkeit des Klägers als Sicherheits und Gesundheitskoordinator ("SiGeKo") nach der Baustellenverordnung sei als eine Sonderleistung anzusehen, die nach § 5 Abs. 4 HOAI nur bei schriftlicher Honorarvereinbarung vergütungspflichtig sei. Bei dieser Tätigkeit, mit der die Beklagte den Kläger gesondert während des Bauvorhabens beauftragt hatte, handelt es sich aber nicht um eine in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) geregelte Leistung. Deshalb gilt für eine solche Leistung die HOAI nicht und es besteht deshalb insb. auch keinerlei Schriftformerfordernis für den Abschluss eines solchen Vertrags (ebenso Quack, BauR 2002, 541 f.; Portz, BauR 2002, 1160 f., Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., Rz. 784; dazu neigend Vygen a.a.O. § 2 Rz. 8; a.A. Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., § 15 Rz. 177). Das folgt ganz einfach daraus, dass das Gesetz zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung von Ingenieur und Architektenleistungen (MRVG) den Verordnungsgeber nicht zur Regelung der Vergütung eines Sicherheits und Gesundheitskoordinators nach der Baustellenverordnung ermächtigt hat. Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um eine arbeitsschutzrechtliche Tätigkeit, also um keine Architekten und Ingenieurtätigkeit. Die HOAI als öffentliches Preisrecht knüpft an bestimmte Leistungsbilder des Architekten und Ingenieurs an und schränkt die Vertragsfreiheit insoweit aus bestimmten Gründen ein. Diese Einschränkung auch auf anderweitige Tätigkeiten auszudehnen, ist keineswegs gerechtfertigt und war ersichtlich auch vom Gesetzgeber nicht gewollt. Ziel des MRVG war eine Begrenzung des Mietanstiegs und die Gewährleistung angemessener Architektenhonorare im Interesse der Baukultur (vgl. die Begründung zu § 1 HOAI). Dagegen ist Ziel der Baustellenverordnung der Arbeitsschutz auf den Baustellen. Beides ist so unterschiedlich, dass es nicht einmal vergleichbar ist (so völlig zu Recht Quack, BauR 2002, 541 [545]).
Geschuldet wird von der Beklagten somit mangels anderer Vereinbarung gem. §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB a.F. das übliche Honorar, wobei hier offen bleiben kann, ob ein Dienst oder Werkvertrag anzunehmen ist. Da der Kläger die Tätigkeit als Sicherheits und Gesundheitskoordinator gesondert übernahm, stellt sich auch kein Problem im Hinblick auf das vereinbarte Architektenhonorar. Die vom Kläger geforderte Vergütung von 0,4 % der Nettobausumme liegt im Rahmen des Üblichen, jedenfalls aber nicht ohne weiteres darüber (vgl. dazu Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., Rz. 784). Ggf. muss das LG insoweit noch eine weitere Aufklärung vornehmen, z.B. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Zu berücksichtigen sein wird in diesem Zusammenhang aber auch, wenn die Beklagte tatsächlich auf die Rechnung des Klägers vom 2.12.2003 (Anlage K 9) für die Tätigkeit als Sicherheitskoordinator bei einem anderen Bauvorhaben 0,6 % der Nettobausumme gezahlt haben sollte.
Dass die Beklagte behauptet, mit dem Kläger eine unentgeltliche Tätigkeit vereinbart zu haben, hat im Prozesskostenhilfeverfahren außer Betracht zu bleiben, weil die Beklagte für die Richtigkeit dieser Behauptung beweispflichtig ist und somit zu dieser Frage durch Vernehmung der von beiden Parteien benannten Zeugen noch Beweis zu erheben sein wird.
2. Nicht entschieden zu werden braucht im Prozesskostenhilfeverfahren über die von der Beklagten hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzforderung. Deshalb kann auch offen bleiben, ob die Aufrechnung überhaupt gem. § 95 Abs. 1 S. 3 InsO zulässig ist. Denn ob die geltend gemachte Schadensersatzforderung begründet ist, kann wegen des streitigen Vorbringens der Parteien im Prozesskostenhilfeverfahren nicht abschließend beurteilt werden. Die Klärung muss ggf. vielmehr dem Klageverfahren vorbehalten bleiben.
3. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nicht die vom Kläger erklärte Klageerweiterung und der dazu ebenfalls gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Darüber wird das LG noch befinden müssen.
4. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gem. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
Fundstellen