Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbsverstoß: Irreführende Werbung für ein Kinesiologie-Tape mit wissenschaftlich ungesicherten Wirkungsbehauptungen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung lässt die Wiederholungsgefahr grundsätzlich nur dann entfallen, wenn die Vertragsstrafe so bemessen ist, dass der Schuldner von einem weiteren Verstoß künftig absieht.
2. Eine Vertragsstrafe i.H.v. 1.000EUR reicht bei einem seit vielen Jahren am Markt tätigen Versandhändler von Medizinprodukten, dessen Sortiment mehrere tausend Produkte umfasst, auch dann nicht aus, die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen, wenn er mit den beworbenen Produkten lediglich einen geringfügigen Jahresumsatz erzielt hat.
3. Die Werbeaussage "ein Kinesiologie-Tape unterstützt die Verbesserung von Mikrozirkulation und aktiviert das Lymph- und endogene analgetische System" ist irreführend und stellt einen Wettbewerbsverstoß gem. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG dar, sofern für diese Behauptungen keine hinreichende wissenschaftliche Absicherung besteht.
Normenkette
UWG § 4 Nr. 11; HWG § 3 S. 2 Nr. 1; MPG § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Hannover (Beschluss vom 20.09.2013; Aktenzeichen 32 O 63/13) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers wird der Beschluss der 7. Kammer für Handelssachen des LG Hannover vom 20.9.2013 abgeändert.
Die Verfügungsbeklagte wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt, im geschäftlichen Verkehr
1. für ein C. zu werben:
1.1. "Das C." unterstützt ... die Verbesserung von Mikrozirkulation",
1.2. "Das C ... aktiviert das Lymph- und endogene analgetische System",
1.3. mit dem Anwendungsgebiet:
1.3.1. "Schmerzbehandlungen",
1.3.2. "Lymphdrainage",
2. für ein "C." zu werben:
2.1. "24 Stunden trainierende Wirkung der Gelenkfunktion",
2.2. "Verbesserung von Mikrozirkulation",
2.3. "aktiviert das Lymph- und endogene analgetische System",
2.4. mit dem Anwendungsgebiet:
2.4.1. "Schmerzbehandlungen",
2.4.2. "Lymphdrainage",
jeweils sofern dies geschieht wie in der diesem Urteil beigefügter Anlage A 1 wiedergegeben.
Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 20.000EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von einer Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gem. §§ 542 Abs. 2 Satz 1, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.A. Die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers ist nach §§ 936, 922 Abs. 1 Satz 1 1.2, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen (§ 569 Abs. 1 u. 2 ZPO) zulässig.
B. Die sofortige Beschwerde ist begründet.
1. Der Verfügungsanspruch besteht.
Der Verfügungskläger hat die für einen Anspruch nach §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG, § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG bzw. § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MPG auf Unterlassen der streitgegenständlichen Werbeaussagen erforderlichen Voraussetzungen glaubhaft gemacht.
a) Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr kann nicht im Hinblick auf die von der Verfügungsbeklagten am 16.9.2013 abgegebenen Unterlassungserklärung (Anlage A 3) verneint werden.
Eine Unterlassungserklärung muss, um die durch eine Verletzungshandlung begründete Gefahr der Wiederholung entsprechender Wettbewerbsverstöße auszuräumen, eindeutig und hinreichend bestimmt sein und den ernstlichen Willen des Schuldners erkennen lassen, die betreffende Handlung nicht mehr zu begehen, und daher durch ein angemessenes Vertragsstrafeversprechen abgesichert sein. Sie muss außerdem den bestehenden gesetzlichen Unterlassungsanspruch nach Inhalt und Umfang voll abdecken und dementsprechend uneingeschränkt, unwiderruflich, unbedingt und grundsätzlich auch ohne die Angabe eines Endtermins erfolgen (BGH, Urt. v. 21.2.2008 - I ZR 142/05 - Buchführungsbüro, juris Rz. 14; OLG Celle, Urt. v. 2.4.2009 - 13 W 16/09, juris Rz. 25; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 8 Rz. 1.38).
Die Wiederholungsgefahr kann nur durch eine Unterwerfung nur ausgeräumt werden, wenn die einem Gläubiger abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung geeignet erscheint, den Verletzer wirklich und ernsthaft von Wiederholungen abzuhalten. An den Fortfall der Wiederholungsgefahr werden strenge Anforderungen gestellt. Bestehen an der Ernstlichkeit der übernommenen Unterlassungsverpflichtung auch nur geringe Zweifel, ist sie grundsätzlich nicht geeignet, die Besorgnis künftiger Verstöße auszuräumen (KG, Urt. v. 19.2.2013 - 5 U 56/11, juris Rz. 11; OLG Bamberg, Beschluss vom 19.3.2013 - 3 U 23/13, juris Rz. 41). Ob dies der Fall ist, ist anhand einer umfassenden Würdigung aller hierfür in Betracht kommender Umstände des Einzelfalls und unter Auslegung der gebotenen strengen Maßstäbe zu prüfen (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.1984 - I ZR 123/82 - Vertragsstrafe bis zu ..., juris Rz. 11; Ohly in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 8 Rz. 18).
Soweit die Verfügungsbeklagte für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung ...