Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 02.03.2006; Aktenzeichen 4 O 475/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Bekla.gten wird das am 2.3.2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Hildesheim abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird festgesetzt auf 6.056 EUR.
Gründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Es kann nicht festgestellt werden, dass die zu Nr. 32 der Insolvenztabelle (50 IN 349/04 AG Hildesheim, Bl. 129 d.A.) festgestellte Forderung der Klägerin gegen den Beklagten wegen Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung für die Monate September und Oktober 2004 i.H.v. 6.056,74 EUR eine Verbindlichkeit aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung darstellt.
I.1. Soweit der Beklagte die sachliche Unzuständigkeit des LG rügt, ist er mit seinem Einwand im Berufungsrechtszug ausgeschlossen (§ 513 Abs. 2 ZPO).
2. Anders als von dem Beklagten angenommen, hat die Klägerin auch ein Feststellungsinteresse (vgl. OLG Celle, ZInsO 2003, 280).
3. Allerdings hat die Klägerin keine vorsätzliche unerlaubte Handlung des Beklagten darlegen und beweisen können.
a) Soweit es die restlichen Arbeitnehmerbeiträge für den Monat September 2004 betrifft, gilt Folgendes: Grundsätzlich gehört es zwar zu den Aufgaben eines Kaufmanns, der als natürliche Person Unternehmensträger ist, dafür Sorge zu tragen, dass sich sein Unternehmen nach außen rechtmäßig verhält und insbesondere die ihm auferlegten öffentlich-rechtlichen Pflichten erfüllt. Zu diesen öffentlich-rechtlichen Pflichten gehören vor allem die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden steuerlichen Pflichten und die Abführung der Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge. Kommt der Unternehmensträger diesen Pflichten nicht nach, so ist er grundsätzlich, was die Sozialversicherungsbeiträge angeht, selbst dafür gem. § 266a, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafrechtlich und auch haftungsrechtlich verantwortlich (BGH v. 15.10.1996 - VI ZR 319/95, NJW 1997, 130, 131 = BGHZ 133, 370 ff. = GmbHR 1997, 25 = AG 1997, 37 = MDR 1997, 151).
Allerdings können interne Zuständigkeitsregelungen in der Geschäftsleitung, auch in einem mittelständischen Unternehmen, zu einer Beschränkung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit führen. Das beruht auf dem Gedanken, dass der Kaufmann als Unternehmensträger den ihm zukommenden Handlungspflichten für sein Unternehmen als Ganzes auf unterschiedliche Weise nachkommen kann. Durch eine Aufteilung der Geschäftstätigkeit wird seine Verantwortlichkeit beschränkt, denn im allgemeinen kann er sich darauf verlassen, dass die zuständigen Mitarbeiter die ihnen zugewiesenen Aufgaben erledigen. Doch verbleiben dem Unternehmensleiter in jedem Fall kraft seiner Allzuständigkeit gewisse Überwachungspflichten, die ihn zum Eingreifen veranlassen müssen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung der dem Unternehmen obliegenden Aufgaben durch den zuständigen Mitarbeiter nicht mehr gewährleistet ist (BGH v. 15.10.1996 - VI ZR 319/95, GmbHR 1997, 25 = AG 1997, 37 = MDR 1997, 151 = NJW 1997, 130, 132). Eine solche Überwachungspflicht kommt vor allem in finanziellen Krisensituationen zum Tragen, in denen die laufende Erfüllung der Verbindlichkeiten nicht mehr gewährleistet erscheint. Vor allem bei der Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung müssen die Anforderungen an die Pflicht zum Eingreifen des Unternehmensleiters besonders streng sein, da es sich bei den Beitragsanteilen um Gelder handelt, die nicht der freien Verfügung des Arbeitgebers, sondern seiner Pflicht zur pünktlichen Abführung unterliegen (BGH a.a.O.).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann keine Pflichtverletzung des Beklagten festgestellt werden, da eine derartige krisenhafte Situation, in der sich der Beklagte nicht mehr auf eine pünktliche Abführung der Sozialversicherungsbeiträge durch seine Ehefrau an die Klägerin verlassen konnte, im vorliegenden Fall nicht gegeben war. Denn mit Schriftsatz vom 7.2.2006 hat der Beklagte vorgetragen, aufgrund der gewährten Kreditlinie sei sein Betrieb bis zum 5.11.2004 nicht zahlungsunfähig gewesen, sondern am 11.10.2004, 26.10.2004 und 8.11.2004 seien jeweils 2.000 EUR an die Klägerin gezahlt worden. Wie mit den Firmenbetreuern H. und G. der Klägerin besprochen, habe seine Ehefrau "aufgrund der wirtschaftlichen Liquiditätssituation" die Beiträge nicht monatlich, sondern wöchentlich in Teilbeträgen gezahlt, wobei Zahlung und Abwicklung in der Weise erfolgt sei, dass zunächst Abschlagsbeträge auf den festen Lohnanteil und anschließend nach Berechnung der Zusatzstunden durch den Beklagten und der Sozialversicherungsanmeldungen durch den Steuerberater die Zahlung auf den variablen Lohnanteil bis etwa zum 20. des Folgemonats durch seine Ehefrau gezahlt worden seien. Schwierigkeiten bei der Abwicklung oder Zahlung seien ihm nicht bekannt geworden. Der Beklagte konn...