Leitsatz (amtlich)
Der durch das Zeichen 325 zu § 42 StVO eröffnete verkehrsberuhigte Bereich erstreckt sich lediglich bis zum Standort des Zeichens 274.1 zu § 41 StVO. Unmittelbar im Anschluss daran gelten wieder die allgemeinen Verkehrsregeln, insb. die Vorfahrtsregeln des § 8 StVO.
Verfahrensgang
LG Stade (Urteil vom 24.07.2003; Aktenzeichen 3 O 44/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24.7.2003 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des LG Stade unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 5.029,05 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.1.2003 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 1/3 und den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 2/3 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer übersteigt für keine der Parteien 20.000 Euro.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin hat überwiegend Erfolg und führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Verurteilung der Beklagten.
Gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG n.F. haften die Beklagten als Gesamtschuldner zu 2/3 für die der Klägerin entstandenen Folgen des Unfalls, der sich am 24.11.2002 gegen 14:40 Uhr in C. auf der Kreuzung der Straße O. mit dem K. weg ereignete. Den Beklagten zu 1) trifft an dem Zustandekommen dieses Unfalls ein überwiegendes Verschulden, weil er das nach § 8 Abs. 1 StVO gegebene Vorfahrtsrecht der Klägerin missachtet hat.
Obwohl die Straße O., aus der die Klägerin herauskam, durch das Verkehrszeichen 325 zu § 42 StVO - aufgestellt am Beginn der Straße O. in einer Entfernung von 8,5 m von der Fluchtlinie des diese Straße kreuzenden K. weges - als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen war, trafen die Klägerin unter den hier gegebenen Umständen nicht die besonderen Pflichten des § 10 StVO. Zwar ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, wo ein verkehrsberuhigter Bereich endet, wenn das Zeichen 326 (Ende) zu § 42 StVO nicht erst unmittelbar an der Einmündung der aus dem Bereich herausführenden Straße, sondern bereits vorher aufgestellt ist. Während teilweise die Auffassung vertreten wird, dass auch bei einer solchen Konstellation aus einem verkehrsberuhigten Bereich in den fließenden Verkehr mit der Folge eingefahren wird, dass § 10 StVO gilt (vgl. LG Gießen v. 20.9.1995 - 1 S 216/95, NZV 1996, 456; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 10 Rz. 6a), endet der verkehrsberuhigte Bereich nach anderer Ansicht am Standort des Zeichens 326, sodass unmittelbar im Anschluss daran wieder die allgemeinen Verkehrsregeln und insb. die Vorfahrtsregeln des § 8 StVO gelten (vgl. LG Koblenz, Urt. v. 11.8.1998 - 6 S 388/97, NJW-Entscheidungsdienst Versicherungs- und Haftungsrecht 1998, 260; Janiszewski, NStZ 1997, 267 ff. [270]; Janiszewski/Burmann, Straßenverkehrsrecht, 17. Aufl., § 10 Rz. 5; ebenso im Fall eines 30m vor der Einmündung einer anderen Straße angebrachten Zeichens 326 [Ende] OLG Hamm StVE Nr. 22 zu § 10 StVO). Diese Frage bedarf hier jedoch keiner abschließenden Entscheidung, weil das Ende des verkehrsberuhigten Bereichs vorliegend nicht durch das Verkehrszeichen 326, sondern durch das Zeichen 274. 1 (Beginn der Tempo 30-Zone) zu § 41 StVO markiert worden ist. Da Vorschriftszeichen wie dieses nach § 41 Abs. 2 S. 3 StVO im Allgemeinen dort stehen, wo oder von wo an die Anordnungen zu befolgen sind, endete der verkehrsberuhigte Bereich und begann die Tempo 30-Zone am Standort dieses Schildes. Nur diese Beurteilung entspricht den Grundsätzen der Klarheit, Eindeutigkeit und Erkennbarkeit, die bei Regelungen durch Verkehrszeichen und bei deren Würdigung zu beachten sind (vgl. OLG Hamm StVE Nr. 22 zu § 10 StVO).
Dies hat zur Folge, dass die Klägerin im Kreuzungsbereich der Straße O. mit dem K. weg nicht aus einem verkehrsberuhigten Bereich herausfuhr, sondern sich in einer Tempo 30-Zone bewegte, sodass an der Kreuzung nicht § 10 StVO, sondern § 8 Abs. 1 (rechts vor links) galt. Dem Beklagten zu 1) ist daher vorzuwerfen, dass er das Vorfahrtsrecht der Klägerin nicht beachtet hat.
Andererseits trifft aber auch die Klägerin ein Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls. Denn sie hat, obwohl die Straße O. in einem breiten Trichter in den K. weg einmündet, sich offensichtlich nicht hinreichend aufmerksam nach links orientiert und infolgedessen das von dort herannahende Fahrzeug des Beklagten zu 1) übersehen. Da das Fehlverhalten des Beklagten zu 1, das zu dem Unfall geführt hat, insgesamt schwerer wiegt als dasjenige der Klägerin, hält der Senat eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Beklagten für angemessen.
Zur Höhe des erstattungsfähigen Schadens, den die Klägerin mit insgesamt 7.543,58 Euro geltend macht, sind Abzüge nicht gerechtfertigt. Die Klägerin rechnet auf der Basis des Gutachtens des Kfz-Sachverständigen R. K. v. 5.12.2002 (B...