Entscheidungsstichwort (Thema)
Beratungsvertrag beim Immobilienkauf
Leitsatz (amtlich)
Beratungsfehler beim Immobilienkauf sind anzunehmen, wenn der Erwerber nicht auf eine Laufzeit der Finanzierung von 30 bis 34 Jahren und/oder auf die mit einem Disagio verbundenen Gefahren bei einer nur kurzzeitigen Zinsbindung hingewiesen wird.
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 14.05.2004; Aktenzeichen 4 O 124/03) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.5.2004 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Hildesheim wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Kläger Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger verlangen die Rückabwicklung eines im Jahre 1995 geschlossenen Kaufvertrages über eine Eigentumswohnung, und zwar nicht wegen Mängeln der Immobilie selbst, sondern wegen behaupteter Falschberatung über die Finanzierung im Zusammenhang mit dem Erwerb.
1. Die Beklagte hat Tausende von Wohnungen der Neuen Heimat übernommen und war u.a. Eigentümerin einer erheblichen Zahl von Wohnungen in P. Sie ließ den Klägern durch standardisiertes not. Angebot des von ihr ständig beauftragten Notars S. in H. eine Zwei-Zimmer-Wohnung zum Preise von 143.365 DM anbieten (Anlage 1 - Bl. 23 ff.). Die Kläger, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses knapp 40 Jahre alt, die damals in Berlin lebten, nahmen das Angebot nicht selbst an, sondern bevollmächtigten eine Notariatsangestellte, die Annahmeerklärung abzugeben (Anlage 9 - Bl. 84 f.). Nach dem Text dieser Vollmachtsurkunde wurde den Klägern das Muster eines Kaufvertrages ausgehändigt und erörtert, auf eine Verlesung wurde verzichtet (Bl. 86). Die bevollmächtigte Notariatsangestellte erklärte schließlich am 14.12.1995 die Annahme des Kaufangebotes (Anlage 2, Bl. 38 ff.).
2. Die Beklagte ließ den Vertrieb der Wohnungen nicht durch eigene Mitarbeiter vornehmen, sondern bediente sich der im Jahre 2000 in Konkurs gefallenen Firma H. & B. GmbH in Dortmund. Nach der zwischen der Beklagten und H. & B. abgeschlossenen Vertriebsvereinbarung (Anlage 13 - Bl. 98 ff.) war der Vertriebspartner gem. § 1 Abs. 2 des Vertrages berechtigt, den Auftrag ohne Zustimmung der Beklagten weiterzugeben, nach § 6 war er Vermittler, nach Abs. 3 war eine etwaige Finanzierung des Kaufpreises nicht Bestandteil des Angebots der Beklagten und sollte ausschließlich in den Verantwortungsbereich des Käufers fallen (Bl. 99). Nach dieser Vertriebsvereinbarung erhielt die H. & B. GmbH eine Provision von 17,5 % bei Verkauf an Mieter und 18,75 % bei für Anleger bestimmten Wohnungen (Bl. 103). Wie in diesem Zusammenhang unwidersprochen vorgetragen worden ist (Bl. 11), erhielt die HMG (s.u.), eine weitere Tochterfirma der H. & B. GmbH, die für die Hausverwaltung zuständig war, ein Handgeld von 50 DM pro m2 verkaufte Wohnfläche.
Die H. & B. GmbH in Dortmund hatte zahlreiche Tochtergesellschaften, auf die in ihrem Prospekt auch hingewiesen und für die geworben wurde. Dazu gehörten u.a. die Baufinanz, die sich um die Vermittlung von Krediten für die Käufer bemühte (Provision: 2 %) sowie die IHB Immobilien H. & B. GmbH, die mit den Käufern einen Immobilienvermittlungsvertrag (Provision: 3,48 % zzgl. Steuern) über eben dieses Objekt abschloss, welches von der Muttergesellschaft für die Beklagte vertrieben wurde (Musterformulare Bl. 143 ff.) und für das sie bereits von der Beklagten mehr als 18 % Provision erhalten hatte.
3. Um zu vermeiden, dass die Beklagte für Beratungsfehler (insb. bei der Finanzierung) der von ihr beauftragten Vertriebspartnerin und der von dieser gegründeten Untergesellschaften und sonstiger von diesen Gesellschaften eingeschalteter Vermittler haften muss, bestimmt § 10 des not. Kaufangebotes in allen Verträgen, dass der Verkäufer für die Wirtschaftlichkeit inkl. Steuereffekte keine Verantwortung übernimmt, die Finanzierung ausschließlich Sache des Käufers ist und insb. Vertriebsbeauftragte der Verkäuferin nicht berechtigt sind, zu diesem Thema verbindliche Aussagen zu machen.
Auch die Kläger haben mit der Baufinanz einen Finanzierungsvermittlungsvertrag und mit der IHB einen Grundstücksvermittlungsvertrag mit den zuvor erwähnten Provisionen geschlossen, und zwar nach dem eingereichten Musterformular (die Verträge selbst befinden sich nicht bei den Akten).
4. Grundlage der Werbung war die Aussage, dass man auch ohne Eigenkapital mit Hilfe der ersparten Steuern eine sichere Vermögensanlage - auch für das Alter - realisieren könne. Es war deshalb eine Vollfinanzierung - auch der beträchtlichen Nebenkosten inkl. Disagio - vorgesehen, was dazu führte, dass bei dem Kaufpreis von 143.365 DM ein Kredit von 176.000 DM, d.h. deutlich mehr als 120 % des Kaufpreises, benötigt wurde.
Die Kaufinteressenten erhielten schriftliche Risikohinweise (die K...