Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Urteil vom 23.10.2006; Aktenzeichen 10 O 70/06)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.07.2009; Aktenzeichen I ZR 56/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23.10.2006 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer (2. Kammer für Handelssachen) des LG Verden abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt,

1. es unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, den Geschäftsbetrieb der Klägerin dadurch systematisch auszuspähen, dass ein Mitarbeiter in der Nähe des Werkgeländes systematisch Beobachtungen des Kunden- und Lieferantenverkehrs tätigt und diese in Berichten verkörpert, wie dies am 23. und 24.11. sowie am 1. und 13.12.2005 geschehen ist;

2. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen,

a) wann und in welchen Zeiten die im Klagantrag zu 1 angeführte wettbewerbswidrige Handlung noch begangen wurde;

b) welche Daten über Kunden und Lieferanten der Klägerin von der Beklagten gesammelt wurden;

c) in welcher Form die gesammelten Daten noch bei der Beklagten gespeichert sind;

3. an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 2.059,70 EUR zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 56.000 EUR (50.000 Unterlassung+3 × 2.000 Auskunft) zzgl. 110 % des Betrages der vollstreckbaren Geldforderung aus dem Titel abwenden, wenn nicht die Klägerin ihrerseits bei Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs Sicherheit i.H.v. 50.000 EUR, bei Vollstreckung des Auskunftsanspruchs Sicherheit i.H.v. jeweils 2.000 EUR und bei Vollstreckung von Geldforderungen Sicherheit i.H.v. jeweils 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich der Abfallentsorgung. Im November 2005 beobachtete ein Mitarbeiter der Beklagten von einem Pkw aus das Betriebsgelände der weiteren Mitbewerberin Firma A. in V. und machte sich über das dortige Geschehen Notizen. Als er deswegen zur Rede gestellt wurde, stellte sich heraus, dass er am 23. und 24.11. sowie am 1. und 13.12.2005 auch das Gelände der Klägerin beobachtet und sich darüber Notizen gemacht hatte.

Die Klägerin hat daraufhin Klage mit den Anträgen entsprechend dem Urteilstenor erhoben.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung hat die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt.

Auf das landgerichtliche Urteil sowie die gewechselten Schriftsätze mit Anlagen wird im Übrigen Bezug genommen.

II. Die Berufung ist begründet.

1. Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aus §§ 8, 3, 4 Nr. 10 UWG.

a) Der Senat hat keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Klageantrags. Er ist hinreichend bestimmt. Der Begriff "systematisch" kennzeichnet nachvollziehbar, was den eigentlichen Kern der Verletzungshandlung ausmacht.

b) Ein derartiges systematisches Ausspähen ist unlauter i.S.v. §§ 4 Nr. 10, 3 UWG.

Mit dem systematischen Sammeln von Informationen über die Fahrzeuge, die das Betriebsgelände der Klägerin anfahren und verlassen, wird nicht nur der Markt beobachtet, was zulässig sein muss. Vielmehr soll mit diesen Informationen offenbar der Kundenkreis der Klägerin abgeschöpft werden, um die eigene Kundenpflege zu Lasten der Klägerin zu erleichtern. Ein systematisches Ausspähen behindert außerdem die Klägerin dadurch, dass es mit sich bringen kann, dass sich die Mitarbeiter der Klägerin beobachtet fühlen, was ihre Arbeit beeinträchtigen kann. Die Klägerin wird ihrerseits gezwungen, Gegenmaßnahmen zu treffen, die ihre betrieblichen Abläufe ebenfalls behindern.

Ob der Geschäftsleitung der Beklagten das Verhalten ihres Angestellten bekannt war, ist unerheblich. Die Beklagte muss nach § 8 Abs. 2 UWG für das Verhalten ihres Mitarbeiters einstehen.

Der Vortrag der Klägerin dazu, dass dieser sie systematisch ausgespäht habe, ist nicht deshalb unverwertbar, weil diese Erkenntnisse - wie die Beklagte behauptet - durch strafbare Handlungen erlangt sind. Selbst wenn Mitarbeiter der Firma A. dem Mitarbeiter der Beklagten die Notizen unter Gewaltanwendung weggenommen haben sollten, hindert das die Klägerin nicht daran, die Erkenntnisse aus diesen Unterlagen im vorliegenden Prozess zu verwerten. Ohnehin bezwecken die strafrechtlichen Normen, die hier berührt sein könnten, nicht den Schutz der Beklagten davor, dass diese Notizen in einem Zivilprozess als Beweismittel verwendet werden (vgl. BAG NJW 2003, 1204, 1205).

2. Die Auskunftsansprüche ergeben sich als vorbereitende Hilfsansprüche, um entsprechende Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche nach §§ 8 Abs. 1, 9 UWG vorzubereiten. Dass - zu beseitigende - Daten über Kunden und Lieferanten der Klägerin gesammelt wurden, steht fest. Auch für irgendeinen Schaden besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Auch an einem Verschulden fehlt es nicht. Der Mitarbeiter der Beklagten ist als deren Verrichtungsgehilfe i.S.v. § 831 BGB anzusehen. Gemäß § 831 Abs. ...

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