Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundurteils bei ausschließlichem Streit über den Betrag; Zulässigkeit eines Teilurteils; Grundsätze der Schmerzensgeldbemessung; Darlegung eines Haushaltsführungsschadens
Leitsatz (amtlich)
1. Steht der vom Kläger geltend gemachte Anspruch (hier: Verdienstausfall) nur zur Höhe im Streit, während der Anspruch dem Grunde nach unstreitig ist, darf kein (Teil-)Grundurteil ergehen (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 19. Februar 1991 - X ZR 90/89). Lässt sich das Urteil des Erstgerichts insoweit nicht als Endurteil aufrechterhalten, ist es (teilweise) aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
2. Der Erlass eines Teilurteils gem. § 301 Abs. 1 ZPO setzt die Teilbarkeit des Streitstoffes, die Entscheidungsreife eines Teils des Streitverhältnisses sowie - als ungeschriebenes Merkmal - die Unabhängigkeit des Teilurteils von der Entscheidung des restlichen Streits voraus. Ein Teilurteil darf auch bei grundsätzlicher Teilbarkeit eines Streitgegenstands nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 1. März 2016 - VI ZR 437/14). Steht die Haftung des in Anspruch genommenen Unfallgegners bzw. des Versicherers dem Grunde nach außer Streit, kann hinsichtlich einzelner, voneinander unabhängiger Schadenspositionen (hier: Schmerzensgeld und Haushaltsführungsschaden) durch abschließendes Teilurteil entschieden und der Rechtsstreit hinsichtlich der weiteren Positionen (hier: Verdienstausfall) fortgesetzt werden.
3. Der Maßstab für die billige Entschädigung i.S.v. § 253 BGB muss unter Berücksichtigung ihrer Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion für jeden einzelnen Fall durch Würdigung und Wägung aller ihn prägenden Umstande neu gewonnen werden; das auf diese Weise gewonnene Ergebnis ist anschließend im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz anhand von in sog. Schmerzensgeldtabellen erfassten Vergleichsfällen zu überprüfen, wobei aber die dort ausgewiesenen Beträge schon wegen der meist nur begrenzt vergleichbaren Verletzungsbilder nicht schematisch übernommen werden dürfen. Die Höhe des zuzubilligenden Schmerzensgeldes hängt entscheidend vom Maß der durch das haftungsbegründende Ereignis verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten ab, so-weit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten sind oder zu diesem Zeitpunkt mit ihnen als künftiger Verletzungsfolge ernstlich gerechnet werden muss. Die Schwere dieser Belastungen wird vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt; besonderes Gewicht kommt etwaigen Dauerfolgen der Verletzungen zu (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 2020 - 14 U 69/19, juris-Rn. 53 - 54 mwN).
4. Für den Haushaltsführungsschaden sind die konkreten Umstände des Falls maßgeblich. Zur Darlegung eines Haushaltsführungsschadens muss der Geschädigte daher im Einzelnen darlegen, welche Tätigkeiten, die vor dem Unfall im Haushalt verrichtet wurden, unfallbedingt nicht mehr oder nicht mehr vollständig ausgeübt werden können; ein bloßer allgemeiner Verweis auf eine bestimmte prozentuale Minderung der Erwerbsfähigkeit oder der Fähigkeit zur Haushaltsführung genügt nicht (Senat, Urteil vom 14. Dezember 2006 - 14 U 73/06, juris). Der Haushaltsführungsschaden ist nicht anhand von Tabellenwerken, sondern auf der Basis der konkreten Lebensverhältnisse des Geschädigten zu ermitteln (Senat, Urteil vom 26. Juni 2019 - 14 U 154/18, VersR 2019, 1157, NJW-RR 2019, 1306, juris-Rn. 156ff. mwN, 173).
5. Eine zeitliche Begrenzung für den Ersatz des Haushaltsführungsschadens, z. B. bis zum 75. Lebensjahr, ist nicht vorzunehmen, sofern keine konkreten Umstände in der Person des Geschädigten vorliegen, die eine Begrenzung rechtfertigen würden (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 24. März 2020 - 22 U 82/18, juris-Rn. 11 mwN). Eine Tenorierung, nach der die Zahlungen "auf Lebenszeit" zu erbringen seien, ist unbedenklich und steht insbesondere einem etwaigen späteren Vorgehen des Schädigers nach § 323 ZPO (Abänderungsklage) nicht entgegen.
6. Das Gesetz sieht die Anhörung einer Partei zur Sachverhaltsaufklärung vor, § 141 Abs. 1 ZPO. Das Gericht muss versuchen, den Sachverhalt umfassend aufzuklären; dass hierbei gegenüber dem schriftsätzlichen Vorbringen neuer Tatsachenvortrag ausgelöst werden kann, liegt im Wesen der Aufklärung.
Normenkette
BGB §§ 252-253, 843; ZPO § 141 Abs. 1, § 301 Abs. 1, §§ 304, 323
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 15.01.2020; Aktenzeichen 6 O 53/17) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15. Januar 2020 verkündete Teil-Schluss- und Teil-Grundurteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg ≪6 O 53/17 ≫ teilweise wie folgt abgeändert:
Soweit die Beklagte zur Zahlung von Schmerzensgeld nebst Zinsen verurteilt worden ist (LGU-Tenor Ziff. 1), wird die Klage abgewiesen.
Soweit das Landgericht durch Teil...