Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachehelicher Unterhalt: Kein Wegfall des Aufstockungsunterhalts bei dauerhaften ehebedingten Nachteilen seit Renteneintritt. Begrenzung auf den Elementarunterhalt infolge Rentenbezuges
Leitsatz (amtlich)
Unabhängig von der Höhe der im Versorgungsausgleich übertragenen Anrechte können ehebedingte Nachteile i.S.v. § 1578b BGB regelmäßig nicht mit der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe und den dadurch bedingten geringeren Rentenanwartschaften begründet werden, wenn für diese Zeit der Versorgungsausgleich vollständig durchgeführt worden ist. Der Nachteil in der Versorgungsbilanz ist dann in gleichem Umfang von beiden Ehegatten zu tragen und damit in der Regel vollständig ausgeglichen, was einen zusätzlichen unterhaltsrechtlichen Ausgleich ausschließt.
Normenkette
BGB § 1578b
Verfahrensgang
AG Neustadt a. Rbge. (Urteil vom 11.03.2008; Aktenzeichen 33 F 180/07) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers sowie unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels wird das am 11.3.2008 verkündete Urteil des AG - Familiengericht - Neustadt a. Rbge. teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Das Urteil des AG - FamG - Hannover (...) vom 25.9.1991 wird dahin gehend abgeändert, dass der Kläger der Beklagten seit 1.11.2007 nur noch Ehegattenunterhalt i.H.v. jeweils monatlich 385,34 EUR zu zahlen hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu ¾ und die Beklagte zu ¼.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert des Streitgegenstands der Berufungsinstanz wird auf 5.740,44 EUR (12 × 478,37 EUR) festgesetzt.
Gründe
I. Der am 19.8.1941 geborene Kläger und die am 28.8.1942 geborene Beklagte streiten um die Abänderung (Wegfall) nachehelichen Unterhals für den Zeitraum seit 1.11.2007. Sie haben am 19.1.1968 geheiratet. Ihre
Ehe wurde mit Urteil vom 29.8.1990 geschieden. Aus der Ehe sind die Kinder S., geb. 28.5.1968, und N., geb. 3.9.1970, hervorgegangen.
Mit Urteil des AG - FamG - Hannover vom 25.9.1991 (...) wurde der Kläger verurteilt, nachehelichen Unterhalt i.H.v. jeweils monatlich 385,34 EUR (= 753,66 DM) Elementarunterhalt und 93,03 EUR (= 181,95 DM) Altersvorsorgeunterhalt an die Beklagte zu zahlen.
Das AG hat die Klage, mit welcher der Kläger den Wegfall seiner Unterhaltspflicht für den Zeitraum seit 1.11.2007 erstrebt hat, abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt er sein erstinstanzliches Begehren weiter. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
II. Die Berufung hat nur teilweise Erfolg.
Die Voraussetzungen für eine teilweise Abänderung des fraglichen Titels liegen vor, § 323 ZPO. Die Beklagte hat gegen den Kläger für den Zeitraum seit 1.11.2007 weiterhin Anspruch auf nachehelichen Unterhalt gem. § 1573 Abs. 2 BGB (Aufstockungsunterhalt) i.H.v. jeweils monatlich 385,34 EUR.
Von den Parteien nicht beanstandet geht das AG auf Seiten des Klägers von Renteneinkünften i.H.v. rund 2.187 EUR und auf Seiten der Beklagten von solchen i.H.v. rund 1.009 EUR, zu denen noch Kapitaleinkünfte i.H.v. rund 106 EUR hinzu kommen, aus. Aufgrund der ermittelten Einkommensdifferenz i.H.v. rund 1.072 EUR hat das AG nach dem Halbteilungsgrundsatz einen Unterhaltsanspruch der Beklagten i.H.v. monatlich rund 536 EUR errechnet, der sogar über dem in dem abzuändernden Urteil titulierten Betrag i.H.v. rund 478 EUR liegt. Hiergegen ist nichts zu erinnern.
Soweit das AG zu dem Ergebnis gelangt, dass ein vollständiger Wegfall der Unterhaltspflicht des Klägers ggü. der Beklagten nicht in Betracht komme, ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden.
Entgegen der Auffassung des Klägers liegen auch unter Beachtung der geänderten Rechtsprechung des BGH und des zum 1.1.2008 in Kraft getretenen neuen Unterhaltsrechts die Voraussetzungen für eine Abänderung des Unterhaltstitels dahin gehend, dass der Kläger der Beklagten seit 1.11.2007 keinen Unterhalt mehr schuldet, also letztlich eine Befristung des Unterhaltsanspruchs, nicht vor.
Schon die §§ 1573 Abs. 5 BGB a.F. und 1578 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB a.F. sahen eine Möglichkeit zur zeitlichen Begrenzung des Aufstockungsunterhalts vor, soweit insbesondere unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig war. Bei der Subsumtion unter diese Ausnahmetatbestände hat der BGH in seiner neueren Rechtsprechung nicht mehr entscheidend auf die Ehedauer, sondern darauf abgestellt, ob sich eine nacheheliche Einkommensdifferenz, die den Anspruch auf Aufstockungsunterhalt begründen könnte, als ein ehebedingter Nachteil darstellt, der einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zugunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertigen kann. Schon nach dieser früheren Rechtslage bot der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB a.F. deswegen keine - von ehebedingten Nachteilen unabhängige - Lebensstandardgarantie i. S. einer fortwirkend...