Leitsatz (amtlich)
Voraussetzungen und Umfang eines Schadensersatzanspruches wegen falscher Prostatakrebs-Diagnose und anschließender radikaler Prostatektomie.
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 12.10.2000; Aktenzeichen 19 O 2717/99) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 12. Oktober 2000 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers wird das am 12. Oktober 2000 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise geändert. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 17. September 1999 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeglichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden, der durch die fehlerhafte Diagnose im August 1998 verursacht worden ist, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers der ersten Instanz tragen der Kläger 10 % und der Beklagte 90 %. Seine außergerichtlichen Kosten der ersten Instanz trägt der Beklagte selbst.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 130.000 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Sicherheit auch durch die unwiderrufliche, unbefristete, selbstschuldnerische und schriftliche Bürgschaft einer Bank, die einem anerkannten Einlagensicherungsfonds angehört, oder einer öffentlichen Sparkasse zu leisten.
Wert der Beschwer für den Beklagten: 110.000 DM.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche mit der Behauptung geltend, dieser habe eine fehlerhafte Krebsdiagnose gestellt.
Der Kläger ließ sich am 28. Mai 1998 routinemäßig im Klinikum ####, #### untersuchen. Dabei wurde das prostataspezifische Antigen (PSA) mit einem Wert von 5,8 ng/ml festgestellt. Am 13. Juli 1998 wurde eine Überprüfung des PSA-Wertes durch den Chefarzt der Urologischen Klinik #### durchgeführt, wobei sich ein Wert von 5,2 ng/ml ergab. Daraufhin ließ der Kläger eine transrectale Sextantenbiopsie der Prostata vornehmen. Die histopathologische Analyse dieser Sextantenbiopsien wurde im Institut für Pathologie des Krankenhauses ####, ####, von dem Beklagten durchgeführt. In seinem pathologischen Gutachten vom 7. August 1998 führte der Beklagte aus:
Rechts: I - III hellzelliges Adenocarcinom der Prostata in hoher Differenzierung (Gleason Score 3 + 3 = 6) in allen drei Entnahmen.
Nach Eingang des Befundes wurde dem Kläger seitens der konsultierten Urologen empfohlen, eine radikale Prostatektomie durchführen zu lassen. Die Operation wurde am 27. August 1998 in der Universitätsklinik in #### vorgenommen. Die dabei entnommene Prostata wurde zur pathologischen Untersuchung in das #### gesandt. Das Gewebe wurde in 116 Schnittpräparaten untersucht, ohne dass ein Carcinom nachgewiesen werden konnte. Auch in den daraufhin von dem Beklagten an vorgenanntes Institut übersandten Schnittpräparaten ließ sich ein Carcinom nicht nachweisen, vielmehr wurden eine Prostatahyperplasie mit fokaler chronischer Prostatitis beiderseits und eine umschriebene atypische adenomatöse Hyperplasie rechts festgestellt.
Der Kläger, der infolge der Operation unter Inkontinenz, Ejakulations- und Erektionsunfähigkeit leidet, hat mit der Behauptung, der Beklagte habe eine Fehldiagnose gestellt, ohne die er, der Kläger, sich der folgenreichen Prostatektomie nie unterzogen hätte, ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens 100.000 DM, sowie Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich etwaiger Zukunftsschäden begehrt.
Der Beklagte hat behauptet, dass die von ihm festgestellten Veränderungen des Gewebes grenzwertig zu dem Vorliegen eines Carcinoms einzuordnen seien. Da die immunhistologische Reaktion ein Ergebnis gezeigt habe, das dem bei Vorliegen eines Carcinoms entspreche, habe er in Kenntnis der Tragweite seiner Beurteilung die Krebsdiagnose erstellt. Diese sei nicht schuldhaft fehlerhaft gewesen, vielmehr sei er von der Richtigkeit überzeugt gewesen.
Das Landgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 18. November 1999 (Bl. 54 d. A.) Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Auf das Gutachten des Sachverständigen #### vom 14. Februar 2000 wird verwiesen. Auf der Grundlage des Gutachtens hat das Landgericht dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 70.000 DM zuerkannt sowie seinem Feststellungsanspruch stattgegeben.
Mit seiner Berufung begehrt der Kläger unter Hinweis auf die schweren Folgen der Operation sowie unter Hinweis auf das Verhalten des Beklagten bei der Schadensabwicklung ein Schmerzensgeld von mindestens 100.000 DM.
Er beantragt,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, ihm über bereits ausgeurteilte 70.000 DM hinaus e...