Leitsatz (amtlich)
Eine KG kann die Rechtsverfolgungskosten einer GmbH, die ihre Komplementärin hat werden wollen, damit aber gescheitert ist, nur durch Beschluss übernehmen, dem alle Gesellschafter zugestimmt haben
Die Tragung der Kosten des unterlegenen Prozessgegners (einer GmbH, die die Übernahme Komplementärsstellung in der KG erfolglos angestrebt hatte) durch die KG ist ein außergewöhnliches Geschäft.
Ein auf eine solche Kostentragung gerichteter Beschluss bedarf der Zustimmung aller Gesellschafter.
Zum Stimmverbot mittelbar selbst betroffener Beiratsmitglieder als Vertreter von Kommanditisten bei einer solchen Abstimmung.
Normenkette
HGB §§ 110, 116, 161 Abs. 2, § 164; GmbHG § 47 Abs. 4
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 4.2.2016 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Stade - Kammer für Handelssachen - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 20 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
4. Streitwert für das Berufungsverfahren: bis zu 80.000 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin ist mit einer Einlage von 20.000 DM Kommanditistin der Beklagten, einer Publikumsgesellschaft.
Die Klägerin begehrt mit dem vorliegenden Rechtsstreit im Kern, dass die Kommanditgesellschaft an eine GmbH, die nach dem Willen einer Vielzahl von Kommanditisten die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft übernehmen sollte, was aber gescheitert ist, ein Betrag von gut 60.000 EUR zu zahlen sei. Sie begehrt ferner die Feststellung, dass ein diese Zahlung rechtfertigender Beschluss in der Gesellschafterversammlung vom 26.3.2015 gefasst und der vom Versammlungsleiter festgestellte gegenteilige Beschluss nichtig sei. Komplementärin der Kommanditgesellschaft ist die P. W. B.-GmbH. Der 2008 gebildete Beirat der KG besteht aus dem Ehemann der Klägerin, Prof. Dr. H., sowie Herrn G. J., zugunsten derer Stimmrechtsvollmachten weiterer Kommanditisten, die mehr als 50 % der Stimmen ausmachen, bestehen. Der Beirat, der die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung als unzumutbar ansieht, betrieb im Jahr 2010 deren Ersetzung durch die W. R. GmbH (R. GmbH), was gescheitert ist; vgl. 9 U 116/10 und 9 U 75/11 OLG Celle, sowie den dazu ergangenen Beschluss BGH II ZR 248/11).
Im Zusammenhang mit dem vielfach gewünschten Leitungswechsel wurde in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 17.9.2010 (Anlage K 5, gesondert geheftet, dort S. 24) ein Beschluss gefasst, wonach die Gesellschaft die nachgewiesenen Kosten der R. GmbH im Zusammenhang mit dieser Gesellschafterversammlung bis zur maximalen Höhe von 10.000 EUR zu tragen hatte. Die entsprechende Zahlung erfolgte am 23.5.2011.
Auf der Gesellschafterversammlung vom 30.9.2011 wurde ein Beschluss dahingehend gefasst, dass die Gesellschaft der R. GmbH nachgewiesene entstandene oder noch entstehende Kosten im Zusammenhang mit den Gesellschafterversammlungen vom 17.9.2010 und vom 28.4.2011 insoweit zur Hälfte zu tragen hat, als sie 10.000 EUR übersteigen (Anlage K 8, dort S. 10). Auf Grundlage dieser Regelung macht die R. GmbH gegen die Beklagte vor dem LG Stade (3 O 93/15) einen Betrag in Höhe von 62.083,24 EUR geltend; der Rechtsstreit dort ist ausgesetzt.
Aufgrund der Weigerung der Komplementärin, den Forderungen der R. GmbH auf anteilige Kostenerstattung nachzukommen, wurde über diese Frage auf der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 26.3.2015 erneut abgestimmt. Beantragt war u.a., dass kein Prozess mit der R. GmbH über die Kostenerstattung geführt werde und der R. GmbH der von ihr geltend gemachte Betrag in Höhe von 62.477,37 EUR auszuzahlen sei (Anlage K 9). Der Versammlungsleiter stellte fest, dass der Beschluss nicht zustande gekommen sei. Das Protokoll geht von 241 "Ja-Stimmen" aus und von 435 "Nein-Stimmen". Die von den Beiratsmitgliedern Professor H. und J. abgegebenen "Ja-Stimmen" (wohl 528 Stimmen) zählte der Versammlungsleiter nicht mit, weil er ein Stimmverbot annahm; wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Gesellschafterversammlung (Anlage K 9) Bezug genommen.
Schließlich kam es am 16.9.2015 zur ordentlichen Gesellschafterversammlung (Anlage K 10). Dort wurde mehrheitlich dafür gestimmt, dass der W. R. GmbH ein "direktes eigenes materielles Forderungsrecht" gegen die Gesellschaft zustehen solle, und wegen der Weigerung der Geschäftsführung zur Umsetzung der Beschlüsse vom 30.12.2011 und 26.3.2015 die Klägerin ermächtigt werde, die Geschäftsführung bzw. die Gesellschaft auf Umsetzung der genannten Gesellschafterbeschlüsse ger...