Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz aus Verkehrsunfall. Schadensersatz
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Schadensersatzanspruch wegen entgangener Dienstleistungen eines Kindes wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Kind vorübergehend außerhalb des elterlichen Anwesens wohnte.
2. Es kann nicht angenommen werden, dass eine unentgeltliche Dienstleistung auch nach Abschluss der Ausbildung weiterhin erbracht worden wäre.
Normenkette
BGB §§ 845, 1619
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 26.02.1988; Aktenzeichen 3 O 316/87) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 26. Februar 1988 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg teilweise geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 21.600 DM nebst 4 % Zinsen auf 9.073,24 DM seit dem 10. September 1987 zu zahlen.
2. Im übrigen bleibt es bei der Klageabweisung; die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger 4/5 und die Beklagte 1/5.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; jedoch dürfen die Zwangsvollstreckung abwenden der Kläger durch eine Sicherheit von 8.000 DM und die Beklagte durch eine Sicherheit von 26.000 DM, falls nicht jeweils der Gegner vorher Sicherheit in dieser Höhe leistet; als Sicherheiten sind unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaften einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse zugelassen.
5. Die Beschwer beträgt für den Kläger mehr als 40.000 DM und für die Beklagte 21.600 DM.
Tatbestand
Der Kläger ist der Vater des am 15. Oktober 1985 in seinem Heimatort …/Landkreis … bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommenen …, der am 16. September 1966 geboren war. Der Verkehrsunfall wurde von dem ebenfalls bei diesem Ereignis getöteten ehemaligen Versicherungsnehmer der Beklagten, …, allein verschuldet; die Beklagte hat voll für den Unfallschaden einzustehen.
Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger Schadensersatzansprüche aus § 845 BGB geltend: … war seit dem 1. August 1985 im dritten Lehrjahr seiner Ausbildung zum Landwirt bei dem Bauern … in …/Landkreis … beschäftigt, nachdem er vorher auf dem väterlichen Hof ausgebildet worden war (Ablichtung des Ausbildungsvertrages Bl. 63 GA). Es war beabsichtigt, daß … nach Beendigung der Lehre für weitere zwei Jahre die Ackerbauschule in … besuchen sollte (von August 1986 bis Juli 1988), um anschließend im väterlichen Betrieb mitzuarbeiten. Eine spätere Hofübergabe an …, so behauptet der Kläger, war ins Auge gefaßt, aber im Hinblick auf die Jugend … noch nicht verbindlich zugesagt und davon abhängig, daß … sich insofern weiter bewähren und für eine Nachfolge eignen werde. Der Kläger hat noch vier weitere Kinder, drei Söhne, welche ein Handwerk erlernt haben und von denen der 1969 geborene … nunmehr die Stelle … einnimmt, sowie eine Tochter, die zur Hauswirtschafterin ausgebildet wird.
Der Kläger trägt vor: … habe im Oktober 1985 noch dem elterlichen Haushalt angehört, sich nur unter der Woche bei seinem Lehrherrn … aufgehalten, an den Wochenenden oder in der Freizeit aber weiter zu Hause gelebt und dort in der Landwirtschaft geholfen, mit Billigung …, der … hierfür freigestellt habe, auch einmal unter der Woche, vor allem in der Erntezeit bei besonderem Bedarf, … sei von den Eltern auch (teilweise) weiter unterhalten worden, weil die Lehrlingsvergütung nach Abzug der Beträge für Kost und Logis und der Sozialabgaben mit etwa ca. 200 DM monatlich zur Bestreitung seiner Ausgaben nicht ausgereicht habe.
Während der Zeit des Besuchs der Ackerbauschule in … (1986 bis 1988) würde … halbtags im elterlichen Betrieb mitgearbeitet haben, aber auch in der darauffolgenden Zeit bis mutmaßlich zur Vollendung des 25. Lebensjahres auf familienrechtlicher Grundlage, d. h. gegen Unterhalt nebst „Taschengeld” mit seiner vollen Arbeitskraft tätig geworden sein. Die Beklagte habe diesen Verlust auf der Grundlage der Bezüge einer landwirtschaftlichen Fachkraft abzugelten.
Für die Zeit von August 1986 bis Juli 1988 verlangt der Kläger – nach Ermäßigung seines anfangs weitergehenden Antrags – Schadensersatz im Umfange der Hälfte der Bruttobezüge einer landwirtschaftlichen Fachkraft (auf tarifvertraglicher Grundlage), für die nachfolgende Zeit bis 16. September 1991 Ersatz in Höhe der vollen Bezüge, jeweils vermindert um die Ersparnisse.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten; es sei schon zweifelhaft, ob … im Unfallzeitpunkt noch zum elterlichen Haushalt zu zählen gewesen sei, jedenfalls sei er nicht (kraft Gesetzes) dienstleistungspflichtig gewesen angesichts seiner vollen Auslastung während der Ausbildung bei dem Bauern … Daß neben dem Besuch der Ackerbauschule in … es zu einem nennenswerten Einsatz im elterlichen Betrieb gekommen sein würde, sei ebenfalls zweifelhaft, jedenfalls sei eine gesetzliche Verpflichtung …. zu Dienstleistungen insofern ausgeschlossen. Vor allem aber entbehre es jeder Wahrscheinlichkeit, daß … nach Abschluß seiner Ausbildung seine volle Arbeitskraft dem elterlichen ...