Leitsatz (amtlich)

§ 86a Abs. 1 HGB ist weit auszulegen. Ein Finanzdienstleister hat seinen Handelsvertretern kostenlos Werbegeschenke und ähnliches zur Verfügung zu stellen. Deren Auswahl ist Sache des Unternehmers.

Unternehmensbezogene Software, die für die Tätigkeit des Handelsvertreters nützlich ist und einheitlich gestaltetes Briefpapier, das das Logo des Unternehmers trägt, unterfallen ebenfalls § 86a HGB.

Kosten für Schulungen und Fortbildungsmaßnahmen hat der Handelsvertreter selbst zu tragen.

 

Normenkette

HGB § 86a Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 10.02.2009; Aktenzeichen 26 O 51/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 04.05.2011; Aktenzeichen VIII ZR 10/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 10.2.2009 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des LG Hannover unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.031,89 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.1.2008 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Hilfswiderklage der Beklagten wird ebenfalls abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 10 % und die Beklagte 90 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 5 % und der Beklagten zu 95 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 23.611,50 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger war Handelsvertreter der Beklagten. Die Beklagte hat mit dem Kläger während dessen Tätigkeit im Rahmen laufender Rechnung monatlich durch Provisionsabrechnungen abgerechnet. Der Kläger hat zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit bei der Beklagten Gegenstände bestellt wie Werbemittel, InfoUnterlagen, Planungs und Repräsentationsunterlagen, Schreibutensilien. Die jeweiligen Bestellungen des Klägers bei der Beklagten wurden ihm nach Auslieferung der Gegenstände in den jeweiligen Provisionsabrechnungen des Folgemonats berechnet. Dasselbe gilt für Kosten von Fortbildungs und Weiterbildungsveranstaltungen, an denen der Kläger teilgenommen hat. Ferner berechnete die Beklagte dem Kläger auf Grund eines geschlossenen Vertrages die Nutzung der überlassenen A. GmbHSoftware mit monatlich 80 EUR. Die Beklagte hat während der Tätigkeit des Klägers als Entgelt für die genannten Leistungen insgesamt 10.079,61 EUR von den Provisionen einbehalten. Diesen Betrag macht der Kläger nunmehr mit der Klage ggü. der Beklagten geltend.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Das LG hat die Ansicht vertreten, der Kläger hätte, weil nach seiner Meinung die auf seine Anweisungen erfolgten Verrechnungen gem. § 86a HGB unwirksam seien, zu jedem Einzelvertrag darlegen müssen, dass in Wirklichkeit ein Vertragsverhältnis trotz seiner Bestellung nicht wirksam zustande gekommen sei. Dieser Darlegungslast sei der Kläger nicht nachgekommen.

Gegen dieses Urteil, auf das zur weiteren Sachdarstellung verwiesen wird (Bd. I Bl. 180 ff. d.A.), richtet sich die Berufung des Klägers.

Der Kläger ist der Ansicht, er habe ausreichend substantiiert vorgetragen. Er verweist insoweit nicht nur auf seine Klageschrift, sondern auch auf seine Schriftsätze vom 26.9. und 2.12.2008. Er wiederholt seinen Vortrag erster Instanz, wonach die Verrechnungen der Beklagten im Hinblick auf § 86a HGB unwirksam seien. Nach dieser Norm habe der Unternehmer dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen - z.B. Werbemittel - kostenlos zur Verfügung zu stellen. Daher brauche er die von ihm bestellten und erhaltenen sog. 'Giveaways' nicht zu bezahlen. Das Gleiche gelte für die von der Beklagten zur Verfügung gestellte Software. Aufgrund einer Anweisung der Beklagten habe grundsätzlich vor einer Beratung der Kunden eine sog. Datenerhebung zu erfolgen. Deshalb brauche er Kosten im Zusammenhang mit dieser Datenerhebung nicht zu übernehmen. Zu den vom Unternehmer ebenfalls zur Verfügung zu stellenden Informationen i.S.v. § 86a Abs. 1 HGB gehörten ferner unternehmenseigene Seminare und Schulungen. Die für seine Teilnahme entstandenen Kosten habe daher die Beklagte zu tragen. Schließlich sei auch die Zeitschrift 'Finanzplaner' im Hinblick auf § 86a HGB ihm von der Beklagten kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 10.2.2009 verkündeten Urteils des LG Hannover, Geschäftsnummer 26 O 51/08, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.079,61 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie weist darauf hi...

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