Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung gegenüber einer im Kostenfestsetzungsbeschluss titulierten Forderung
Leitsatz (amtlich)
1. Gegenüber einer im Kostenfestsetzungsbeschluss titulierten Forderung ist grundsätzlich eine Aufrechnung unzulässig.
Das gilt aber nicht, soweit es sich um rechtskräftig festgesetzte andere Kostenerstattungsansprüche oder unstreitige Gegenforderungen handelt. Denn im Kostenfestsetzungsverfahren ist die Berücksichtigung der Aufrechnung nicht möglich; der Rechtspfleger ist nicht befugt, mit der Folge des § 322 Abs. 2 ZPO über eine streitige Gegenforderung zu entscheiden.
2. Die Präklusionswirkung des § 767 Abs. 2 ZPO hindert nicht die Aufrechnung gegenüber der Forderung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 104 ZPO mit einem Anspruch, der vor Erlass des Beschlusses bereits bestanden hat.
Normenkette
ZPO §§ 104, 322 Abs. 2, § 767 Abs. 2; BGB §§ 387, 389
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 28.10.2015; Aktenzeichen 10 O 83/15) |
LG Hildesheim (Urteil vom 25.03.2015; Aktenzeichen 10 O 74/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Hildesheim vom 28.10.2015 - 10 O 83/15 - abgeändert und insgesamt neu gefasst wie folgt:
2. Die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Hildesheim vom 25.3.2015 - 10 O 74/14 - wird für unzulässig erklärt.
Die Beklagte wird verurteilt, die ihr erteilte vollstreckbare Ausfertigung des Titels gem. Ziff. 1 herauszugeben.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage um die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Hildesheim. Das LG hat im angefochtenen Urteil die Zwangsvollstreckung teilweise für unzulässig erklärt, soweit die Beklagte - als Gläubigerin des Kostenfestsetzungsbeschlusses - einen erstrangigen Betrag von 1.342,50 EUR begehrt. Die Kammer hat dabei angenommen, dem Kläger stehe eine Forderung in Höhe von 1.342,50 EUR zu, mit der er die Aufrechnung gegenüber der titulierten Forderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss erklären könne. Insoweit sei die Forderung der Beklagten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss erloschen und deshalb die Zwangsvollstreckung unzulässig. Soweit der Kläger darüber hinaus weitere Beträge der Forderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss entgegensetze, sei der Vortrag gem. §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Im Rahmen der Forderungsberechnung hat die Kammer zudem zugunsten der Beklagten einen Sicherheitseinbehalt in Höhe von 4.050,00 EUR berücksichtigt, weil der Kläger eine Gewährleistungsbürgschaft nicht übergeben habe.
Von der Bezugnahme auf die weiteren Feststellungen im angefochtenen Urteil und die Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
Beide Parteien wenden sich mit je eigenständiger Berufung gegen das Urteil des Landgerichts.
II. Nur die Berufung des Klägers hat Erfolg.
1. Die Berufung des Klägers ist insgesamt begründet:
Schon nach dem unstreitigen Sachverhalt im Rahmen des Berufungsverfahrens ist zugunsten des Klägers ein weiterer Betrag in Höhe von 4.050,00 EUR anzusetzen, der der Forderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss entgegengehalten werden kann bzw. von der Restwerklohnforderung nicht abzuziehen ist (entgegen LGU 4). Der zugrundeliegende Vortrag in der ersten Instanz war nicht verspätet.
a) Gegenüber einer in einem Kostenfestsetzungsbeschluss titulierten Forderung ist zwar grundsätzlich eine Aufrechnung unzulässig, das gilt aber nicht, soweit es sich um rechtskräftig festgesetzte andere Kostenerstattungsansprüche oder - wie hier - unstreitige Gegenforderungen handelt (vgl. nur Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl., § 104 Rdnr. 21 "Aufrechnung" mwN). Auch nach Ansicht der Rechtsprechung soll die Präklusionswirkung des § 767 Abs. 2 ZPO nicht die Aufrechnung gegen die Forderung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 104 ZPO mit einem Anspruch, der vor Erlass des Beschlusses bereits bestanden hat, hindern. Denn im Kostenfestsetzungsverfahren war die Berücksichtigung der Aufrechnung nicht möglich; der Rechtspfleger ist nicht befugt, mit der Folge des § 322 Abs. 2 ZPO über eine streitige Gegenforderung zu entscheiden (vgl. Staudinger/Gursky [2016], BGB, § 104 Rdnr. 60 mwN). Das Gleiche gilt für die Rückfestsetzung von Kosten gemäß § 91 Abs. 4 ZPO (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.04.2007 - 6 W 227/06, MDR 2007, 920).
In beiden Fällen (Kostenfestsetzung bzw. Rückfestsetzung) muss der Aufrechnungseinwand dagegen berücksichtigt werden, wenn die Aufrechnungslage unstreitig besteht (OLG Frankfurt aaO, juris-Rdnr. 6 mwN).
Entsprechend hat der Bundesgerichtshof entschieden (BGH, Urt. v. 05.01.1995 - IX ZR 241/93, MDR 1995, 809, juris-Rdnr. 7 mwN), dass § 767 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nicht hindert, im ...