Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung nach Fahrradunfall eines ohne Helm transportierten Kindes im Kindersitz
Leitsatz (amtlich)
1. Liegen die Voraussetzungen des § 1664 Abs. 1 BGB vor, trifft also einen Elternteil weder der Vorwurf eines Verstoßes gegen die eigenübliche Sorgfalt noch des groben Verschuldens, fehlt es bereits an der Zurechenbarkeit eines etwaigen Fehlverhaltens und damit an einer Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der Grundsätze über ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis (BGHZ 103, 338 ff.).
2. Es ist nicht grob fahrlässig, wenn die Mutter eines bei einem Fahrradunfall verletzten 5jährigen Kindes zugelassen hat, dass ihr Sohn ohne Fahrradhelm in einem Kindersitz transportiert wird.
Normenkette
BGB §§ 277, 840 Abs. 1, § 1664 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 18.09.2007; Aktenzeichen 14 O 435/06) |
Tenor
Die Berufung der Nebenintervenientin gegen das am 18.9.2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des LG Hannover wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Nebenintervenientin, die auch die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin der Klägerin zu tragen hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt Zahlungen von dem Beklagten im Innenausgleich aus einem Gesamtschuldverhältnis aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 27.3.2003, bei dem der damals fünfjährige Sohn P. der Streithelferin der Klägerin erheblich verletzt wurde.
Wegen des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sach und Streitstandes sowie der Gründe der angefochtenen Entscheidung wird zunächst auf das Urteil des LG (Bl. 187 ff. d.A.) Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Nebenintervenientin (Haftpflichtversicherung des Beklagten), die die Auffassung vertritt, die Klägerin hafte für die Folgen des Verkehrsunfalls jedenfalls aus der Betriebsgefahr der am Unfall beteiligten Straßenbahn. Der Unfall sei nämlich für den Führer der Straßenbahn S. kein unabwendbares Ereignis gewesen.
Sie vertritt ferner die Auffassung, die Streithelferin der Klägerin (Kindesmutter) müsse sich ein Mitverschulden an dem Zustandekommen des Unfalls zurechnen lassen, da sie zugelassen habe, dass der Beklagte ohne Licht gefahren sei und ihr Sohn sich in einem nur lose an dem Fahrrad befestigten Kindersitz, zudem ohne Fahrradhelm befunden habe. Sie verweist ferner darauf, das verletzte Kind habe gar nicht in dem an der Lenkstange befestigten Fahrradsitz transportiert werden dürfen, da es das zulässige Körpergewicht überschritten habe.
Sie vertritt die Auffassung, im Hinblick auf das zu berücksichtigende Mitverschulden der Streithelferin der Klägerin hätten im vorliegenden Fall die Grundsätze über ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis zur Anwendung kommen müssen. Sie wirft deshalb der Klägerin rechtsmissbräuchliches Verhalten vor bei der Regulierung der Ansprüche der von der Krankenversicherung des geschädigten Kindes geltend gemachten Ansprüche, indem die Klägerin ggü. dem Krankenversicherer nicht sämtliche Einwendungen erhoben habe, die sowohl ihr (der Klägerin) als auch insbesondere dem Beklagten zugestanden hätten. Durch ihr uneingeschränktes Anerkenntnis habe die Klägerin dem Beklagten diese Einwendungen abgeschnitten.
Die Nebenintervenientin hält schließlich das erstinstanzliche Urteil für verfahrensfehlerhaft, weil das LG nicht auf seine geänderte Rechtsauffassung zur Helmtragepflicht hingewiesen habe.
Die Nebenintervenientin beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Nebenintervenientin zurückzuweisen.
Sie und ihre Streithelferin verteidigen die angefochtene Entscheidung. Die Streithelferin vertritt die Auffassung, sie treffe an dem Unfall keinerlei Mitverschulden.
Die Akten 3342 Js 32915/03 StA Hannover haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung der Nebenintervenientin hat keinen Erfolg.
Die Klägerin kann von dem Beklagten gem. § 426 Abs. 1 und Abs. 2 BGB i.V.m. § 13 HaftPflG den vollständigen Ausgleich für diejenigen Zahlungen verlangen, die sie infolge des Verkehrsunfalls vom 27.3.2003 für den dabei verletzten, seinerzeit fünf Jahre alten P. S. erbracht hat und noch erbringen wird. Daher ist auch dem diesbezüglichen Feststellungsbegehren zu Recht vom LG stattgegeben worden.
1. Das landgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensfehler. Aus den Akten ist eine Änderung der Rechtsauffassung des LG zu der Frage eines etwaigen Mitverschuldens der Streithelferin der Klägerin wegen des Nichttragens eines Fahrradhelms seitens des verletzten Kindes nicht erkennbar. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Klägerin hat d...