Entscheidungsstichwort (Thema)
Hausratversicherung: Obliegenheit, der Polizei eine "Stehlgutliste" einzureichen
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auslegung einer Klausel der Hausratversicherungsbedingungen, wonach der Versicherungsnehmer bei Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherer und der Polizei unverzüglich ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen einzureichen hat.
2. Die Obliegenheit in der Hausratversicherung, bei Eintritt des Versicherungsfalls der Polizei unverzüglich ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen einzureichen, ist eine Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit, für die das Belehrungserfordernis des § 28 Abs. 4 VVG gilt (entgegen OLG Köln, Urt. v. 15.10.2013 - 9 U 69/13).
Normenkette
VVG § 28 Abs. 4; VHB 2008 Teil B § 8 Nr. 2.1f
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 04.06.2014; Aktenzeichen 6 O 279/13) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 4.6.2014 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des LG Hannover geändert und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.430,14 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.5.2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte nach einem Einbruchsdiebstahl auf weitere Zahlung aus einer Hausratversicherung in Anspruch, da nach seiner Ansicht die Beklagte zu der auf eine Obliegenheitsverletzung gestützten Leistungskürzung nicht berechtigt gewesen sei.
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Hausratversicherung mit dem Tarif "Standard" (s. Versicherungsschein vom ... Mai 2009, Bl. 208 f., sowie Tarifbedingungen, Bl. 43 f. d.A.). Dem Versicherungsvertrag liegen die "Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen ... VHB 2008" der Beklagten zugrunde (Anlage B 1, Bl. 45 ff. d.A.).
In Teil B § 8 Nr. 2.1 der VHB 2008 ist eine Aufstellung von "Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls" enthalten. Dort heißt es u.a.:
"2.1 Der Versicherungsnehmer hat bei Eintritt des Versicherungsfalls
(...)
f) dem Versicherer und der Polizei unverzüglich ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen einzureichen;
(...)"
In Teil B § 8 Nr. 3 ("Leistungsfreiheit bei Obliegenheitsverletzung") sind die Folgen einer Obliegenheitsverletzung bestimmt.
Am ... Juli 2012 brachen unbekannte Täter - durch Einwerfen einer Fensterscheibe - in das Haus des Klägers ein und entwendeten zahlreiche Gegenstände, u.a. Schmuck und Bargeld. Weitere Gegenstände beschädigten sie beim Durchsuchen des Hauses. Der Kläger befand sich zu dieser Zeit mit seiner Familie im Urlaub. Nachbarn des Klägers informierten die Polizei. Der Kläger wurde am selben Tag telefonisch unterrichtet. Am Folgetag zeigte er telefonisch bei der Beklagten den Schadensfall an. Am 31.7.2012 kehrte der Kläger mit seiner Familie aus dem Urlaub zurück. Die schriftliche Schadensanzeige des Klägers auf einem von der Beklagten übersandten Formular datiert vom 14.8.2012 (Anlage B 2, Bl. 65 ff. d.A.). Unter Nr. 8 enthält das Formular Fragen zur "Polizeianzeige" mit dem Klammerzusatz: "(bitte unbedingt der Polizei unverzüglich eine Aufstellung aller abhanden gekommenen Sachen einreichen!)"
Eine zweiseitige Aufstellung der entwendeten Gegenstände reichte der Kläger mit Anschreiben vom 23.8.2012 bei der Polizei ein (Anlage K 5, Bl. 18 ff. d.A.). Das Schreiben ist mit einem Eingangsstempel vom 27.8.2012 versehen (Bl. 19 der beigezogenen Ermittlungsakten, StA Hannover, 1533 UJs 504065/12, im Folgenden: EA).
Fahndungsmaßnahmen nach den entwendeten Gegenständen erfolgten ausweislich der Ermittlungsakte auch nach Eingang der Aufstellung nicht.
In dem polizeilichen Abschlussbericht vom 16.10.2012 (Bl. 34 f. EA) heißt es u.a.:
"Durch den Geschädigten wird eine detaillierte Schadensaufstellung nachgereicht, in welcher sämtliches Diebesgut aufgeführt ist. (...)
Weitere Ermittlungsansätze sind zur Zeit nicht vorhanden. (...)"
Unter dem 14.11.2012 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren ein, "weil Täter nicht ermittelt" (Bl. I EA).
Die Beklagte regulierte den Schadensfall zunächst gemäß Schreiben vom 18.4.2013 (Anlage K 3, Bl. 15 d.A.). Unter Berücksichtigung der Entschädigungsgrenzen ermittelte sie dabei eine Entschädigungsleistung für Hausrat, Schmuck und Bargeld von insgesamt 31.709,82 EUR. Diese kürzte sie um 50 % (15.854,91 EUR), da der Kläger die Stehlgutliste nicht unverzüglich eingereicht habe und dies als grob fahrlässig zu bewerten sei. Mit Schreiben vom 13.5.2013 korrigierte die Beklagte ihre Abrechnung und zahlte weitere 2.424,77 EUR für nicht abhanden gekommene, beschädigte Gegenstände (Anlage K 6, Bl. 20 d.A.).
Der Kläger hat die Zahlung des danach noch verbliebenen Kürzungsbetrages verlangt. Er hat gemeint, er habe seine Obliegenheit zur Vorlage einer Stehlgutliste nicht verletzt. Hierzu hat er behauptet, es sei ihm und seiner Famil...