Leitsatz (amtlich)
1. Eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung i.S.v. § 2 I.(1) AUB 88 setzt nicht zwingend die Feststellung einer besonders hohen BAK voraus, sondern kann sich auch aus dem konkreten Verhalten des verletzten Versicherungsnehmers ergeben (hier: nächtlicher Sturz aus einem Hotelfenster).
2. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach die ärztliche Feststellung der Invalidität gem. § 7 I.(1) Satz 3 AUB 88 eine schriftliche Invaliditätsfeststellung innerhalb der 15-Monats-Frist voraussetzt.
Normenkette
AUB 88 §§ 2, 7
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 05.08.2008; Aktenzeichen 2 O 396/07) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 5.8.2008 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Hannover wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht einen Anspruch aus einer Unfallversicherung geltend.
Zwischen den Parteien besteht seit 1992 ein Vertrag über eine Unfallversicherung (Versicherungsschein Bl. 70 d.A.). Vereinbart sind die AUB 88, Ausgabe 1991 (Bl. 62 ff. d.A.).
Seinen Anspruch gründet der Kläger auf ein Ereignis am 19.5.2006. Er nahm zu dieser Zeit an einer zweitägigen Veranstaltung der ... akademie N. in H. teil. Gegen 02:30 Uhr stürzte er, nur mit einer Unterhose bekleidet, unter Alkoholeinfluss aus seinem Hotelfenster mehrere Meter tief in ein Beet. Die hinzugezogenen Polizeibeamten stellten fest, dass das Bett im Zimmer des Klägers unbenutzt war.
Der Kläger erlitt bei dem Sturz erhebliche Verletzungen, die nach seiner Darstellung dauerhafte Beeinträchtigungen und einen Grad der Behinderung von 30 % zur Folge haben.
Der Kläger zeigte den Schaden an (Bl. 83 d.A.). Daraufhin übersandte die Beklagte dem Kläger ein Schreiben vom 11.7.2006 (Bl. 84 f. d.A.), in dem es u.a. heißt:
"Den Versicherungsschutz haben wir noch nicht prüfen können. Die private Unfallversicherung hat einige Besonderheiten, auf die wir Sie gern schon heute aufmerksam machen.
Invalidität:
Eine Invaliditätsentschädigung wird fällig, wenn die Funktionsfähigkeit von Gliedmaßen und Sinnesorganen oder die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit durch einen Unfall
- dauernd beeinträchtigt ist, und wenn
- die Unfallfolgen innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eintreten und spätestens innerhalb weiterer drei Monate ärztlich festgestellt werden,
- der Anspruch auf Invaliditätsentschädigung spätestens 15 Monate nach dem Unfall angemeldet wird.
(...) Wenn sich deshalb etwa ein Jahr nach dem Unfall noch Unfallfolgen bemerkbar machen und der behandelnde Arzt nicht bestätigen kann, dass diese noch abklingen, empfehlen wir Ihnen, den Invaliditätsanspruch geltend zu machen und uns auch mitzuteilen, aus welchen Verletzungen Ansprüche erhoben werden.
Versäumen Sie bitte unter keinen Umständen die Anmeldefrist, weil sonst schon allein deshalb Ihre Ansprüche ausgeschlossen sind."
Mit Schreiben vom 1.11.2006 zeigten die Klägervertreter ihre Bevollmächtigung der Beklagten an. Am Ende des Schreibens der Klägervertreter vom 7.6.2007 (Bl. 95/97 d.A.) heißt es, dass der Klägervertreter davon ausgehe, dass zusätzlich zu der von der Beklagten erwähnten 15-Monatsfrist zur Anmeldung des Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung keine weiteren Fristen klägerseits zu beachten seien. Anderenfalls werde um Mitteilung gebeten.
Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 19.6.2007 (Bl. 98 f. d.A.), in dem insoweit lediglich auf die Klagfrist von sechs Monaten verwiesen wurde.
Der Kläger hat gemeint, die von ihm vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen (Bl. 76 f., Bl. 78 ff., Bl. 81, Bl. 147 und Bl. 158 f. d.A.) erfüllten die Anspruchsvoraussetzungen. Weiter hat der Kläger die jeweiligen Ärzte als Zeugen für die fristgerechte ärztliche Feststellung eines Dauerschadens benannt. Zudem ergebe sich schon aus der Art des Sturzes und den dabei erlittenen Verletzungen, dass die Beeinträchtigungen dauerhaft seien. Soweit sich die Beklagte auf Fristablauf berufe, sei dies treuwidrig.
Die Blutalkoholbestimmung des ... stifts H. sei unzutreffend. Nicht richtig sei die Behauptung der Beklagten, der Kläger sei alkoholbedingt nicht mehr in der Lage gewesen, die konkrete Situation zu meistern. Der Sturz sei durch die bauordnungsrechtlich unzulässige Höhe der Fensterbrüstung von nur 77 cm verursacht worden.
Obliegenheiten gem. § 9 II. AUB 88 habe der Kläger nicht verletzt. Seine Angaben in der Schadenanzeige zum Alkoholkonsum seien nach seiner Kenntnis zutreffend. Anderenfalls fehle es jedenfalls am Verschulden bzw. wäre eine Obliegenheitsverletzung folgenlos geblieben, weil die Beklagte durch Einsicht in die Untersuchungsberichte der Krankenhäuser die Blutalkoholkonzentration festgestellt habe.
Die Beklagte ha...