Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreuungsunterhalt bei Lese- und Schreibschwäche. Betreuungsunterhalt bei erhöhtem Betreuungsbedarf eines an einer Lese- und Rechtschreibschwäche sowie einer ausgeprägten Spielneigung leidenden 11-jährigen Kindes
Leitsatz (redaktionell)
Betreut ein Elternteil zwei Kinder im Alter von 11 und 15 Jahren, so kann weiterhin ein Betreuungsunterhaltsanspruch nach § 1570 Abs. 1 S. 2, 3 BGB bestehen, wenn das 11-jährige Kind aufgrund einer Lese- und Rechtschreibschwäche sowie einer ausgeprägten Spielneigung einer zusätzlichen Unterstützung durch den betreuenden Elternteil bedarf.
Normenkette
BGB § 1570 Abs. 1; EGZPO § 36 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Hannover (Urteil vom 10.10.2008; Aktenzeichen 609 F 2980/08) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das am 10.10.2008 verkündete Urteil des AG - Familiengericht - Hannover wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
II. Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 4.433 EUR (13 × 341 EUR) festgesetzt.
Gründe
I. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sachverhalts und des Inhalts der angefochtenen Entscheidung wird auf das Urteil des AG - Familiengericht - Hannover vom 10.10.2008 verwiesen.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil des AG Hannover vom 10.10.2008, Aktenzeichen 609 F 2980/08, abzuändern und nach den Schlussanträgen der I. Instanz zu erkennen.
Der Kläger wiederholt im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Sachvortrag. Er ist der Ansicht, die Beklagte sei auch unter Berücksichtigung der Betreuung der am ... 1994 und ... 1997 geborenen Töchter seit dem Inkrafttreten der Unterhaltsreform zum 1.1.2008 zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit verpflichtet. Sie habe nicht dargetan, dass sie an einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit gehindert sei. E.-M. besuche die 9. Klasse der IGS L. und erfahre dort eine Ganztagsbetreuung von 08.00 Uhr bis 15.50 Uhr. Etwaige weitere gezielte Förderung erhalte sie dort. A.-. L. besuche die IGS R., die ein Betreuungsangebot von 8.10 Uhr bis 16.10 Uhr zur Verfügung stelle. Sie erhalte dort auch die notwendige und intensive Förderung zur Ausgleichung ihrer Lese-/Rechtschreibschwäche. Beide Kinder würden den Schulweg selbständig mit dem Fahrrad zurücklegen und auch einen Großteil ihrer Freizeit selbständig verbringen. Zudem lebe die Beklagte mit ihren Eltern in einem Gebäudekomplex. Die Töchter der Parteien würden außerhalb der Schulzeiten ausschließlich von den Großeltern betreut werden, die auch in den Ferien und bei Krankheit der Kinder zu Verfügung stehen würden. Auch sei selbstverständlich auf Seiten der Beklagten kein Betreuungsbonus mehr zu berücksichtigen.
Die am ... 1962 geborene Beklagte habe auch keine ehebedingten Nachteile erlitten. Sie habe zunächst eine Ausbildung als Schneiderin absolviert. Im Rahmen einer Umschulung habe sie anschließend den Beruf der technischen Zeichnerin erlernt. Diese Tätigkeit habe sie bis zur Geburt der ersten Tochter 1994 in I. ausgeübt. Zum Ende des Erziehungsurlaubs 1997 sei dann die zweite Tochter zur Welt gekommen. Die Betreuung und Versorgung hätten sich die Eltern während der Ehezeit geteilt. Die Trennung sei dann 1999 erfolgt. Anfang des Jahres 2000 sei die Beklagte dann nach H. gezogen. Sie habe zunächst Arbeitslosen- bzw. Teilunterhaltsgeld erhalten. Schon ab dem 27.1.2003 sei sie im Umfang von 20 Wochenstunden in ihrem erlernten Beruf als technische Zeichnerin tätig geworden. Sie habe ihre Tätigkeit ab dem 1.5.2005 nach eigenen Angaben auf 32 Wochenstunden ausweiten können.
Schließlich sei die Ehe bereits hinreichend lange geschieden, so dass die Beklagte Gelegenheit zur Aufnahme einer angemessenen bzw. Ausweitung ihrer Erwerbstätigkeit gehabt habe. Ihre Erwerbslosigkeit seit 1.5.2008 müsse mit Nichtwissen bestritten werden. Warum und wieso sie ihre Arbeitsplätze gewechselt habe, sei unbekannt. Ob und wenn ja, welche Bemühungen sie um Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit entfaltet habe, lasse sich gleichfalls nicht erkennen. Die Beklagte sei gelernte technische Zeichnerin. Nach dem Tarifvertrag für Nordrhein-Westfalen bewege sich das monatliche Bruttoeinkommen in diesem Bereich zwischen 2.185 EUR und 2.571 EUR in der mittleren Gruppe. Nehme man den geringsten Betrag, so komme man bei einer vollschichtigen Tätigkeit zumindest auf ein Nettoeinkommen von 1.447,70 EUR. Damit könne die Beklagte ihren Unterhaltsbedarf selbst decken. Im Übrigen sei der Unterhaltsanspruch zumindest zu begrenzen.
Schließlich habe sich auch das Einkommen des Klägers verändert. Er sei seiner neuen Ehefrau gegenüber unterhaltspflichtig, die bei einer Erwerbstätigkeit im Umfang von 20 Wochenstunden nach Abzug von Krankenzusatzversicherung rund 677 EUR monatlich verdiene. Unter Berücksichtigung des zuletzt von der Beklagten erzielten Einkommens i.H.v. 823,54 EUR ergebe sich nach der "Drittelmethode" allenfalls ein ungedeckter Bedarf der Beklagten i.H.v. rund 188 EUR.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Si...