Leitsatz (amtlich)
Maßgebend für die Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen der Krankentagegeldversicherung ist der bisher ausgeübte Beruf in seiner konkreten Ausgestaltung, also ob die bisher ausgeübte Tätigkeit ihrer Art nach ausgeübt werden kann. Dies schließt jedenfalls die Tätigkeit bei einem bestimmten Arbeitgeber mit ein. Einem Arbeitnehmer, bei dem eine psychische Erkrankung infolge sog. 'Mobbing' am Arbeitsplatz diagnostiziert wird, hat danach Anspruch auf Krankentagegeld, wenn eine gleichartige Weiterbeschäftigung bei seinem Arbeitgeber nicht möglich ist, denn die Voraussetzung bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit hängt nicht davon ab, welche Umstände bzw. Ursachen zur ärztlich attestierten Krankheit geführt haben (Abkehr von OLG Celle VersR 2000, 1531).
Normenkette
VVG a.F. §§ 1, 178b Abs. 3; MB/KT § 1
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 15.09.2009; Aktenzeichen 5 O 95/09) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 15.9.2009 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Lüneburg unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und der Beklagte verurteilt,
an den Kläger 8.098,53 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.10.2008 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.098,53 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von dem Beklagten Zahlung von Krankentagegeld für den Zeitraum vom 23.6.2008 bis zum 31.8.2008.
Der Kläger unterhält bei dem Beklagten eine Krankentagegeldversicherung, welcher die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankentagegeldversicherung zugrunde liegen (Bl. 52 - 57 d.A.). Vereinbart war ein Tagegeld i.H.v. 117,37 EUR kalendertäglich. Der Kläger ist gelernter Maschinenschlosser, der nach Abschluss der Maschinenschlosserausbildung eine weitere Ausbildung als Techniker im Maschinenbau absolvierte. Seit 1973 arbeitete er im Anlagenbau, wo er bis zum Team und Vertriebsleiter befördert wurde. 1995/1996 trat er das Arbeitsverhältnis bei der Firma K. an und arbeitete dort als Projektleiter für Brandschutzanlagen. 3/5 bis 4/5 seiner Arbeitszeit verbrachte er im Büro, wo ihm neben der telefonischen Kundenbetreuung die Führung von Mitarbeitern bei projektbezogenen Tätigkeiten, die er teilweise auch selbst ausführte, oblag. Der Kläger befindet sich seit längerer Zeit in ärztlicher Behandlung. Die Ursache hierfür ist in seinem Arbeitsverhältnis mit der Firma K. begründet. Der Kläger sieht sich dort einem ausgeprägten MobbingVerhalten ausgesetzt. Bis zum 23.6.2008 zahlte der Beklagte das vereinbarte Krankentagegeld. Daraufhin stellte er seine Leistungen ein, nachdem das außergerichtlich eingeholte Gutachten des Dr. S. (Bl. 26 - 32 d.A.) zum Ergebnis einer 100%igen Arbeitsfähigkeit ab diesem Tag kam. Zum 31.8.2008 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers durch Auflösungsvertrag beendet.
Der Kläger hat behauptet, dass seine Arbeitsfähigkeit erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe wieder hergestellt werden können Er meint, dass es nicht darauf ankäme, ob er bei einem anderen Arbeitgeber seine Arbeiten hätte verrichten können. Der Beklagte habe seine Arbeitsunfähigkeit durch die gezahlten Leistungen anerkannt.
Der Kläger hat die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 8.098,53 EUR nebst gesetzlicher Verzugszinsen seit dem 1.10.2008 sowie Freistellung von Vergütungsansprüchen seines Prozessbevollmächtigten i.H.v. 661,16 EUR nebst Zinsen beantragt.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Er ist der Meinung, dass es sich lediglich um eine "konfliktbedingte Arbeitsplatzunverträglichkeit" gehandelt habe, für die kein Krankentagegeldanspruch bestünde. Der Kläger habe die von seinem Berufsbild umfassten Tätigkeiten ausführen können.
Durch das angefochtene Urteil, auf welches wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach und Streitstand Bezug genommen wird (Bl. 111 ff. d.A.), hat das LG die Klage abgewiesen. Aufgrund des ausprägten MobbingVerhaltens und der damit einhergehenden weiteren Krankheitswert besitzenden Begleiterscheinungen habe der Kläger die von ihm ausgeübte berufliche Tätigkeit an seinem Arbeitsplatz nicht weiter ausüben können. Dem Vortrag des Klägers sei jedoch nicht zu entnehmen, dass er zur Ausübung einzelner, ihm obliegender beruflicher Tätigkeiten aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht in der Lage gewesen sei. Der Fall der bloßen "Arbeitsplatzunverträglichkeit" genüge der von den Versicherungsbedingungen vorausgesetzten Arbeitsunfähigkeit nicht.
Hiergegen richtet sich die Berufung...