Normenkette

HGB § 425 Abs. 1, §§ 435, 459 S. 1; ZPO § 318

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Urteil vom 10.12.2018; Aktenzeichen 10 O 101/17)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 23.07.2020; Aktenzeichen I ZR 119/19)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. Dezember 2018 verkündete Grundurteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Verden wird mit der Klarstellung zurückgewiesen, dass die in diesem Urteil getroffenen Feststellungen zur Identität der Ladung des in der Nacht vom 22. auf den 23. November 2016 in N. gestohlenen Sattelaufliegers nicht in Rechtskraft erwachsen und daher keine Bindungswirkung gemäß § 318 ZPO erzeugen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Streithelferinnen, die diese jeweils selbst zu tragen haben.

Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Wegen der Kosten kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.088.827,50 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht als Versicherer aus übergegangenem Recht der Versenderin Schadensersatz wegen des Diebstahls einer ganzen LKW-Aufliegerladung an Bauteilen für Katalysatoren für Kraftfahrzeuge geltend.

Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat in dem angefochtenen Grundurteil erkannt, die Klage sei "dem Grunde nach gerechtfertigt". Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe ihre Aktivlegitimation durch die Vorlage des Versicherungsscheins und die Erbringung der Versicherungsleistung durch die Vorlage eines Zahlungsbelegs nachgewiesen. Der übergegangene Anspruch beruhe auf einem Speditionsvertrag zu fixen Kosten, weshalb sich die Beklagte wie eine Frachtführerin behandeln lassen müsse. Als solche hafte sie verschuldensunabhängig für den Schaden, welcher durch das Abhandenkommen der im Streit stehenden Ladung entstanden sei. Das Landgericht hat sich nach Vernehmung zweier Zeugen unter maßgeblicher Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten Lieferscheine, der korrespondierenden Rechnungen und der Beladeprotokolle davon überzeugt gezeigt, dass auf den gestohlenen Sattelanhänger diejenige Anzahl und Art an - von der Versicherungsnehmerin der Klägerin (im Folgenden: die Versenderin) zuvor bearbeiteter - Bauteilen für Katalysatoren geladen gewesen sei, welche die Klägerin behauptet. Das Landgericht hat des Weiteren ausgeführt, dass der Beklagten die Haftungsbegrenzung gemäß §§ 429, 431 Abs. 1 HGB (im Streitfall auf eine Höhe von unstreitig 113.878,08 EUR) nicht zugutekomme. Der Beklagten sei Leichtfertigkeit vorzuwerfen, weil die von ihr unterbeauftragte Streithelferin (zu 1.) die von der Versenderin erteilte Sicherheitsanordnung infolge mangelhafter Organisation nicht erfüllt habe, ein beladenes Fahrzeug entweder beim Parken zu überwachen oder nur dort abzustellen, "wo ausreichende Sicherheit gewährleistet ist". Diese Anordnung sei im Sinne des § 305c BGB weder überraschend noch mehrdeutig und daher von der Beklagten zu beachten gewesen. Das nächtliche Abstellen des bereits beladenen Sattelanhängers in einem Gewerbegebiet in N. sei nicht sicher gewesen. Eines gesonderten Hinweises auf den besonders hohen Wert des Ladeguts habe es wegen der unmissverständlichen Sicherheitsanordnung nicht bedurft. Aus demselben Grunde komme ein anspruchsminderndes Mitverschulden der Versicherungsnehmerin der Klägerin nicht in Betracht.

Gegen dieses Urteil, auf dessen Begründung im Einzelnen ebenfalls verwiesen wird, richtet sich die rechtzeitig und formgerecht sowohl von der Beklagten als auch von der Streithelferin zu 1 eingelegte Berufung. Die Beklagte wendet sich zum einen gegen die Feststellung, dass sich die behauptete Ladung auf dem gestohlenen Sattelauflieger befunden habe. Weder der als Zeuge vernommene Lagerarbeiter noch der als Zeuge vernommene Fahrer hätten den Inhalt der geladenen Kartons überprüfen können, weil diese - was unstreitig ist - blickdicht verschlossen gewesen seien. Die vom Landgericht angewandte "Paketrechtsprechung" habe der Bundesgerichtshof längst aufgegeben. Diese wäre im Übrigen nur dann einschlägig gewesen, wenn die Versenderin die Ware als Herstellerin verkauft und zur Beförderung zur Käuferin direkt an sie, die Beklagte, übergeben hätte. Tatsächlich habe die Versenderin allenfalls Ware, die Dritten gehöre, bearbeitet und die - angeblich - bearbeitete Ware sodann bei einer Lagerhalterin einlagern lassen. Erst dort habe sie, die Beklagte, die Ware ohne direkte Beteiligung der Versenderin aufladen lassen. Deshalb stehe noch nicht einmal fest, o...

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