Leitsatz (amtlich)
1. Die Inhaltskontrolle Besonderer Vertragsbedingungen (BVB) ist vertragstypengerecht vorzunehmen. Eine in BVB eines Einheitspreisvertrages vereinbarte Vertragsstrafe für die Überschreitung einer Zwischenfrist hält der Inhaltskontrolle nicht stand, wenn sich die Vertragsstrafe nach einem Promille-S. der Endabrechungssumme bemessen soll und nicht nach dem mit der Zwischenfrist zu erreichenden Leistungsstand.
2. Verschiebt sich der Termin für eine vertragliche Zwischenfrist durch vom Unternehmer nicht zu vertretende Umstände so weit hinaus, dass der Unternehmer seine Arbeitsplanung und die Abwicklung seiner Aufträge neu ordnen muss, reicht eine einvernehmliche Festlegung der Anzahl der Ausfalltage nicht mehr aus; vielmehr bedarf es als Grundlage des Vertragsstrafenanspruchs einer Neuvereinbarung der Vertragsfrist.
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 30.11.2004; Aktenzeichen 10 O 81/99) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 30.11.2004 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Hildesheim wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kostenentscheidung erster Instanz geändert und wie folgt neu gefasst wird:
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerinnen zu 91 %, die Beklagte zu 9 %. Hiervon ausgenommen sind jedoch die Kosten der Beweisaufnahme, die die Klägerinnen nach einem Wert von 974.180. 80 EUR allein tragen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung jeweils gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte (ursprünglich eine Anstalt öffentlichen Rechts, inzwischen organisiert in der Rechtsform einer GmbH) beabsichtigte 1995, das Wasserwerk Ecker erweitern zu lassen.
Den Zuschlag für die Erd-, Beton-, Stahlbeton- und Stahlbetonfertigteilarbeiten erhielten die zu einer Arbeitsgemeinschaft (Bietergemeinschaft) zusammen geschlossenen Klägerinnen auf der Grundlage ihres Angebotes vom 28.2.1995 gem. Auftragsschreibens der Beklagten vom 24.5.1995.
Das Bauvorhaben wurde seitens der Klägerinnen fertig gestellt und schlussabgerechnet. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch ein von der Beklagten geltend gemachter Vertragsstrafenanspruch, mit dem sie ggü. der vom LG zugunsten der Klägerinnen ausgeurteilten Restwerklohnforderung von rund 91.000 EUR aufrechnen will.
Gegenstand des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages waren u.a. die Besonderen Vertragsbedingungen Bl. 289 ff. Bd. II. Dort war unter Ziff. 3.2 die Fertigstellung der Gesamtleistung bis spätestens zur 34. KW 1996 vorgesehen sowie unter Ziff. 3.3 eine Einzelfrist vereinbart für die "Fertigstellung des Absetzbeckens 2 und Filteranlage 2 von Achse 8 bis 19 und Achse A bis J komplett einschließlich Verlegen der Dachplatten und Ausmauerung der Umfassungswände bis zur 31.KW 1995".
Unter Ziff. 4. der BVB hieß es weiter:
"Vertragsstrafen (§ 11)
Der Auftragnehmer hat als Vertragsstrafe für jeden Werktag der Verspätung zu zahlen:
4.1 Bei Überschreitung der Fertigstellungsfrist 0,1 v.H. des Endbetrages der Abrechnungssumme
4.2 Bei Überschreitung von Einzelfristen 0,2 % des Endbetrages der Abrechnungssumme
4.3 Die Vertragsstrafe wird auf insgesamt 5,0 v.H. der Abrechnungssumme begrenzt."
Gemäß dem Auftragsschreiben der Beklagten wurde wegen Verzögerung des Baubeginns die Fertigstellungsfrist für die Gesamtleistung von der 34. KW auf die 38. KW 1996 verschoben.
Während der Durchführung der Bauarbeiten kam es zu verschiedenen Verzögerungen und auch Behinderungsanzeigen der Klägerinnen. Die Ursachen hierfür und insb. die Verantwortlichkeit ist zwischen den Parteien streitig.
Deshalb wurde eine Verschiebung der Einzelfrist gem. Ziff. 3.3 der BVB zunächst auf die 45. KW 1995, später auf die 52. KW 1995 vereinbart.
Mit Schreiben vom 22.10.1997 reklamierte die Beklagte eine Bauzeitenüberschreitung des Zwischentermins gem. Ziff. 3.3 der BVB von 48 Tagen. Ausgehend von dem geprüften Schlussrechnungsbetrag der Klägerinnen von 4.814.839,14 DM errechnete die Beklagte hieraus eine Vertragsstrafe von 462.224,56 DM, die sie vertragsgemäß auf 5 %, mithin auf 240.741,96 DM, begrenzte. Die Geltendmachung der Vertragsstrafe hatte die Beklagte sich gem. der Niederschrift zur Schlussabnahme vom 18.12.1996 vorbehalten (Bl. 850 d.A.).
Die Klägerinnen haben die Vereinbarung der Parteien über die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe für unwirksam gehalten, u.a. da die Verwirkung der Vertragsstrafe verschuldensunabhängig geregelt sei.
Das LG hat die Aufrechnung der Beklagten mit vermeintlichen Vertragsstrafeansprüchen nicht durchgreifen lassen. Die Beklagte habe die von ihr behauptete Überschreitung des Zwischentermins um 48 Tage nicht hinreichend dargetan. Im Hinblick darauf hat es die...