Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherung bei Verlust einer Niere
Leitsatz (amtlich)
1. Verliert der Versicherte durch einen Unfall eine von zwei Nieren, so kommt es, wenn der Verlust dieses Organs in der Gliedertaxe nicht aufgeführt ist, alleine darauf an, inwieweit hierdurch die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit unter ausschließlicher Berücksichtigung medizinischer Gesichtspunkte beeinträchtigt ist.
2. Steht nach dem Ergebnis eines medizinischen Sachverständigengutachtens fest, dass der Verlust der einen Niere vollständig durch die andere Niere kompensiert wird und mit keinen weiteren Nachteilen zu rechnen ist, so kommt eine Invaliditätsentschädigung nicht in Betracht.
3. Soweit in Vorschriften des öffentlich-rechtlichen Versorgungs- oder Schwerbehindertenrechts beim Verlust einer Niere ein fester Grad der Behinderung oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vorgesehen ist, spielt das für die Auslegung privat-rechtlicher Vorschriften des Unfallversicherungsrechts keine Rolle.
Normenkette
AUB § 7
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 27.03.2007; Aktenzeichen 3 O 149/06) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.3.2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Hildesheim wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, Alt. 1, § 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1, Alt. 2 ZPO). Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung von 12.782,30 EUR aus der von ihrem Vater mit der Beklagten geschlossenen Unfallversicherung gem. § 1 Abs. 1 S. 2, § 179 Abs. 1 VVG i.V.m. Abschnitt E II Ziff. 3 AUB-Komfort wegen ihres Unfalles vom 26.5.2003 zu, als sie von einem Pferd in den Unterbauch getreten wurde und eine Ruptur der rechten Niere mit anschließender operativer Rekonstruktion erlitt.
1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Zwar ist sie nicht selbst Versicherungsnehmerin, sondern in dem von ihrem Vater geschlossenen Vertrag nur versicherte Person. Nach § 179 Abs. 2 VVG finden in diesem Fall die Vorschriften der §§ 75 - 79 VVG entsprechende Anwendung. Gemäß § 75 Abs. 2 VVG kann der Versicherte über seine Rechte mit Zustimmung des Versicherungsnehmers verfügen. Das ergibt sich hier schon daraus, dass im Zeitpunkt der Erhebung der Klage die Klägerin noch nicht volljährig war und deshalb von ihren Eltern vertreten wurde. Dieser Umstand kann, nachdem die Klägerin nunmehr volljährig geworden ist, als Zustimmung angesehen werden.
2. Der Klägerin steht jedoch kein Anspruch auf Invaliditätsleistungen zu, weil es an der nach Abschnitt E I Ziff. 1 der vereinbarten AUB-Komfort (insoweit identisch mit § 7 I Ziff. 1 AUB 94) erforderlichen Invalidität in Form der dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit fehlt. Keine Anwendung findet zunächst die Gliedertaxe nach Abschnitt E I Ziff. 3 AUB-Komfort, da dort der Verlust einer Niere nicht aufgeführt ist. Nur für die dort genannten Glieder und Organe ist ein fester Invaliditätsgrad vereinbart, bei dem weder eine höhere noch eine geringere Invalidität in Betracht kommen. Werden durch den Unfall dagegen Körperteile oder Sinnesorgane betroffen, deren Verlust oder Funktionsfähigkeit in der Gliedertaxe nicht geregelt sind, erfolgt die Bemessung des Invaliditätsgrades nach medizinischen Gesichtspunkten (Abschnitt E II Ziff. 3 AUB-Komfort). Maßgebend ist also, inwieweit die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit insgesamt unter ausschließlicher Berücksichtigung medizinischer Gesichtspunkte beeinträchtigt ist. Maßstab ist die Leistungsfähigkeit eines Unversehrten gleichen Alters und Geschlechts (Grimm, AUB, 4. Aufl., AUB 99 2 Rz. 36; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 7 AUB 94 Rz. 3). Unberücksichtigt bleiben alle Umstände, die über das Medizinische hinausgehen, wie Beruf, Beschäftigung, Arbeitsmarktsituation, sonstige Tätigkeiten des Versicherten etc. (Grimm, a.a.O., Rz. 37; Prölss/Martin, a.a.O., Rz. 29).
a) Hierzu hat der Sachverständige Prof. Dr. H. in seinem Gutachten vom 15.11.2006 ausgeführt, aus medizinischer Sicht sei eine dauernde Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit zu verneinen. Zwar sei die Funktion der rechten Niere deutlich eingeschränkt, da ihr Gesamtanteil an der Nierenfunktion nur noch bei 14 % liege. Auch sei eine Wiederherstellung der rechten Niere nicht zu erwarten, da von einem Progress der Funktionsverschlechterung ausgegangen werden müsse. Es erscheine auch möglich, dass sich dieser Prozess fortsetze und es zu einem vollständigen Funktionsverlust der rechten Niere komme. Es sei aber auch möglich, dass sich die Funktion der rechten Niere auf dem gegenwärtigen Niveau stabilisiere. Es fehle jedoch gleichwohl an einer Invalidität, weil die linke Niere den Funktionsverlust der rechten Niere kompensiere. Bei der Klägerin liege e...