Leitsatz (amtlich)
Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrags getroffene Regelung, wonach der Besteller nach Abnahme des Bauwerks 5 % der Auftragssumme für die Dauer der Gewährleistungsfrist einbehalten darf und dem Auftragnehmer das Recht eingeräumt wird, den Einbehalt durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abzulösen, ist insgesamt unwirksam (BGH NJW 2001, 1857; v. 22.11.2001 - VII ZR 208/00, MDR 2002, 332 = BGHReport 2002, 273 = NJW 2002, 894).
Der Bauvertrag kann dann nicht ergänzend dahin ausgelegt werden, dass der Unternehmer anstatt der Bürgschaft auf erstes Anfordern eine "einfache" Bürgschaft schuldet.
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 03.07.2003; Aktenzeichen 25 O 20/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urt. des LG ... vom 3.7.2003 geändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert im Berufungsverfahren: 82.573,64 Euro.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die beklagte Versicherung aus einer Bürgschaft in Anspruch.
Die Klägerin beauftragte die ... GmbH in einem Bauvertrag vom 25.4.1996, drei Mehrfamilienhäuser schlüsselfertig zu errichten. In dem Bauvertrag heißt es unter § 7 Ziff. 8:
"Als Sicherheit wird von der Schlussrechnung ein 5 %iger Einbehalt (= 161.500 DM) hinsichtlich des vereinbarten Pauschalfestpreises i.H.v. 3.230.000 DM vorgenommen. Die Sicherheitsleistung dient zur Befriedigung aller Ansprüche des AG aus der Nichterfüllung der vertraglichen Leistungen des AN und zur Sicherung aller Gewährleistungsansprüche. Die Auszahlung des Sicherheitsbetrages erfolgt nach Ablauf der Gewährleistungsansprüche und schriftliche Anforderung durch den AN.
Der Unternehmer ist berechtigt, die Sicherheitsleistung abzulösen durch Bestellung einer selbstschuldnerischen unbefristeten Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse in Höhe des vereinbarten 5%igen Sicherheitseinbehalts, wobei die Bank oder Sparkasse sich verpflichtet, auf erste Anforderung Zahlung zu leisten."
Die ... GmbH errichtete die Gebäude. Die Abnahme erfolgte am 29.11.1997.
Unter dem 15.4.1998 verbürgte die Beklagte sich bis zu einem Betrag von 161.500 DM selbstschuldnerisch unter Verzicht auf die Einreden der Anfechtung, Aufrechnung und Vorausklage für die vertragsgemäße Leistung der Bauarbeit. Nach dem Bürgschein sollte die Bürgschaft dazu dienen, die vertragsgemäße Gewährleistung für fertig gestellte und abgenommene Arbeiten zu sichern; die Beklagte verpflichtete sich, auf erste Anforderung Zahlung zu leisten.
Ab Anfang 1998 traten im Bereich der Wohnungen und der Treppenhäuser Risse auf, die die ... GmbH beseitigte. In einem im Juni 2000 eingeleiteten selbstständigen Beweisverfahren stellte der Sachverständige umfangreiche Mängel fest. Im November 2002 erwirkte die Klägerin ein Teilurteil gegen die ... GmbH, mit dem diese zur Mängelbeseitigung verurteilt wurde.
Bereits mit Schreiben vom 12.7.2002 hatte die Klägerin die Beklagte aus der Bürgschaft auf Zahlung von 82.573,64 Euro (161.500 DM) in Anspruch genommen. Die Beklagte leistete nicht. Daraufhin hat die Klägerin den Anspruch aus der Bürgschaft mit der Klage geltend gemacht.
Das LG hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 82.573,64 Euro nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe des Bürgscheins zu zahlen; außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Annahme des Bürgscheins im Verzug befindet. Zur Begründung hat das LG ausgeführt: Zwar sei eine Sicherungsvereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, wonach der Auftragnehmer zur Sicherung von Vertragserfüllungsansprüchen eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen habe, unwirksam (BGH v. 18.4.2002 - VII ZR 192/01, BGHReport 2002, 672 = MDR 2002, 1058). Jedoch seien Verträge, die vor dem Bekannt werden des BGH-Urteils vom 4.7.2002 abgeschlossen worden seien, ergänzend dahin auszulegen, dass der Auftragnehmer eine unbefristete, selbstschuldnerische Erfüllungsbürgschaft schulde.
Die Beklagte verfolgt mit der Berufung ihren Klageabweisungsantrag weiter.
II. Die Berufung ist begründet.
Nach dem Inhalt der Bürgschaftsurkunde vom 15.4.1998 handelt es sich um eine Bürgschaft auf erste Anforderung, d.h., dass die Beklagte auf Anforderung grundsätzlich sofort zahlen muss. Es ist jedoch in der Rspr. anerkannt, dass Einwände des Bürgen ausnahmsweise nicht erst im Rückforderungsprozess, sondern schon im Erstprozess zu beachten sind, sofern sich deren Berechtigung aus dem unstreitigen Sachverhalt oder dem Inhalt der Vertragsurkunden ohne weiteres ergibt. Das gilt insb. dann, wenn der Bürgschaftsvertrag nur der Erfüllung der Sicherungsabrede dient, sich aus dieser jedoch kein wirksamer Anspruch auf Erhalt einer Bürgschaft auf...