Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit einer Bedingungsanpassungsklausel in Bedingungen der Privaten Krankenversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung in § 18 Abs. 1d) MB/KK 94, die dem Versicherer in dem dort beschriebenen Verfahren eine Änderung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen u.a. bei Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung erlaubt, verstößt gegen § 307 Abs. 2 Ziff. 1 BGB, weil sie mit Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 178g Abs. 3 VVG) nicht zu vereinbaren ist.
2. Die Bestimmung stellt ferner eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar und verstößt deshalb auch gegen § 307 Abs. 1 BGB.
3. § 18 Abs. 4 MB/KK 94, der dem Versicherer bei Auslegungszweifeln von Allgemeinen Versicherungsbedingungen eine Änderungsmöglichkeit einräumt, verstößt gegen § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. 1 i.V.m. § 305c Abs. 2 BGB.
Normenkette
MB/KK-94 § 18; BGB § 307; VVG § 178g
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 14.12.2005; Aktenzeichen 2 O 174/05) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 14.12.2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Lüneburg wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Der Kläger, ein bundesweiter Dachverband der 26 Verbraucherzentralen der Bundesländer und weiterer 21 Verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland, nimmt den Beklagten auf Unterlassung von zwei Bedingungsanpassungsklauseln in der privaten Krankenversicherung in Anspruch.
Der Beklagte verwendet AVB, die den Musterbedingungen der MB/KK 94 in der privaten Krankheitskosten- und Krankentagegeldversicherung entsprechen (Bl. 16-21 d.A.). § 18 sieht unter "Änderungen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen" folgende Regelung vor:
"(1) Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen können unter hinreichender Wahrung der Belange der Versicherten vom Versicherer mit Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders mit Wirkung für bestehende Versicherungsverhältnisse, auch für den noch nicht abgelaufenen Teil des Versicherungsjahres, geändert werden.
a) bei einer nicht nur vorübergehenden Veränderung der Verhältnisse des Gesundheitswesens,
b) im Falle der Unwirksamkeit von Bedingungen,
c) bei Änderungen von Gesetzen, auf denen die Bestimmungen des Versicherungsvertrages beruhen,
d) bei unmittelbar den Versicherungsvertrag betreffenden Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der Verwaltungspraxis des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen oder der Kartellbehörden.
Im Falle der Buchst. c und d ist eine Änderung nur zulässig, soweit sie Bestimmungen über Versicherungsschutz, Pflichten des Versicherungsnehmers.
Sonstige Beendigungsgründe, Willenserklärungen und Anzeigen sowie Gerichtsstand betrifft.
(2) Die neuen Bedingungen sollen den ersetzten rechtlich und wirtschaftlich weitestgehend entsprechen. Sie dürfen die Versicherten auch unter Berücksichtigung der bisherigen Auslegung in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht nicht unzumutbar benachteiligen.
(4) Zur Beseitigung von Auslegungszweifeln kann der Versicherer mit Zustimmung des Treuhänders den Wortlaut von Bedingungen ändern, wenn diese Anpassung vom bisherigen Bedingungstext gedeckt ist und den objektiven Willen sowie die Interessen beider Parteien berücksichtigt. Abs. 2 gilt entsprechend."
Der Kläger verlangte vom Beklagten mit Schreiben vom 11.4.2005 die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hinsichtlich der Verwendung von § 18 Abs. 1d) AVB, was dieser ablehnte.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, § 18 Abs. 1d) AVB verstoße gegen § 308 Nr. 4 BGB, weil in ihm unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet würden und unklar/Sei, nach welchen Maßstäben die Zumutbarkeit und die Benachteiligung zu beurteilen seien (Bl. 7 f., 91 d.A.). Eine hinreichende Absicherung durch die Einschaltung des Treuhänders erfolge nicht, weil der Versicherungsnehmer auf dessen Ernennung und die von ihm zugrundezulegenden Beurteilungskriterien keinen Einfluss habe. Ferner verstoße die Regelung gegen § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. 1 BGB, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar sei. Insbesondere werde der Grundsatz "pacta sunt servanda" ausgehöhlt sowie die Zweifelsregelung des § 305c Abs. 2 BGBs und das Verbot geltungserhaltender Reduktion von Allgemeinen Geschäftsbedingungen umgangen (Bl. 8-10, 91 d.A.). Die Bedingungsanpassung sei auch nicht unter Berücksichtigung der Regelung in § 178g Abs. 3 VVG zulässig, da dort nur Veränderungen der Verhältnisse des Gesundheitswesens als zulässige Bedingungsänderung angesehen würden, die bereits in § 18 Abs. 1a) AVB genannt seien, während der Beklagte in § 18 Abs. 1d) AVB wei...