Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Anforderungen an einen Reiseveranstalter, Reisende vor Vertragsschluss über negative Umstände der gebuchten Reiseunterkunft hinzuweisen. Zu den Grundsätzen, nach denen zu beurteilen ist, ob die mit einem - mangelbedingten - Umzug eines Reisenden von einem Hotel(-zimmer) zu einem anderen einhergehenden Beeinträchtigungen einen eigenständigen Reisemangel begründen.
Leitsatz (amtlich)
1. Auf negative Umstände der gebuchten Unterkunft muss der Reiseveranstalter den Reisenden vor Vertragsschluss ausdrücklich hinweisen; dieser Obliegenheit genügt der Reiseveranstalter nicht dadurch, dass er in dem dem Reisevertrag zugrunde liegenden Prospekt Umstände benennt, die lediglich mittelbar auf den negativen Umstand hindeuten, er den negativen Umstand nur andeutet oder diesen lediglich euphemistisch umschreibt.
2. Nimmt ein Reisender aufgrund von Mängeln der ihm seitens des Reiseveranstalters zur Verfügung gestellten Unterkunft einen Wechsel des Zimmers oder des Hotels vor, können die damit einhergehenden Beeinträchtigungen einen Reisemangel i. S. v. § 651 c Abs. 1 BGB a. F. begründen. Ob insoweit die Schwelle von einer bloßen "Unannehmlichkeit" zu einem Reisemangel überschritten ist, beurteilt sich allein aufgrund der Umstände jeweiligen Einzelfalls. Es verbietet sich hingegen, insoweit - ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles - allein auf abstrakte Prozentsätze abzustellen.
Normenkette
BGB a.F. § 638 Abs. 3, § 651c Abs. 1, § 651d Abs. 1-2; ZPO § 138 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 8 O 19/19) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung - das Urteil der 8. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Hannover vom 24. Oktober 2019 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 21. November 2019 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 19. Juli 2018 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger 72 % und die Beklagte 28 %; von den Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz tragen der Kläger 79 % und die Beklagte 21 %.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen, soweit mit diesem Urteil die Beklagte zur Zahlung im Hinblick auf den Reisemangel "Fluglärm" verurteilt wird (Gliederungspunkt B. II. der Entscheidungsgründe), sowie, soweit mit diesem Urteil die Berufung des Klägers in Bezug auf den geltend gemachten Reisemangel "Umzug innerhalb des Hotels" (Gliederungspunkt B. III. der Entscheidungsgründe) zurückgewiesen wird. Im Übrigen, also in Bezug auf die mit der Berufung weiter verfolgten Ansprüche, die in den nachfolgenden Entscheidungsgründen unter Gliederungspunkten B. IV. - VI. abgehandelt werden, wird die Revision nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger nimmt die Beklagte als Veranstalterin einer Flugpauschalreise nach Kos auf Rückzahlung des vollständigen Reisepreises in Anspruch.
Der Kläger buchte für sich sowie seine Ehefrau und ein Kind für die Zeit vom 30. Mai bis 13. Juni 2018 eine Reise auf die Insel K. mit Unterbringung im Hotel A. P. B. R., nach der Kategorie der Beklagten ein 5-Sterne-Haus. In dem der Reise zugrunde liegenden Reisekatalog ist die Transferzeit zum und vom Flughafen mit 30 Minuten angegeben sowie die Entfernung vom Hotel zum Flughafen mit 9 km. Ferner finden sich in dem Katalog die Angaben "Lage: Durch Straße vom Strand getrennt, ruhig" sowie, dass man in dem Hotel einen erholsamen Urlaub verbringen könne.
Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger Minderungsansprüche in Höhe von 100 % geltend. Diese werden darauf gestützt, dass das dem Kläger und seiner Familie zunächst zur Verfügung gestellte Zimmer mit Mängeln behaftet gewesen sei, auf die infolge des Umzugs von diesem in ein anderes im Hotel befindliches Zimmer verbundenen Unannehmlichkeiten, den schlechten Allgemeinzustand des Hotels sowie nächtlichen Fluglärm.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil sowie auf den Inhalt der erstinstanzlich bei Gericht eingereichten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage in der Hauptsache in Höhe von 492,43 EUR stattgegeben. Damit hat das Landgericht dem Begehren des Klägers in Bezug auf den Reisemangel "Mängel des zur Verfügung gestellten Zimmers" in vollem Umfang entsprochen. Weitergehende Minderungsansprüche würden nicht bestehen. Das ber...