Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 09.04.2021; Aktenzeichen 5 O 46/20) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9. April 2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 57.656,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. Februar 2020 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird für den Berufungsrechtszug auf 57.656,99 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz für von ihr an ihre Versicherungsnehmer gezahlte Versicherungsleistungen in Anspruch.
Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus übergegangenem Recht. Sie habe ihren Versicherungsnehmern Schäden wegen des Diebstahls ihrer Kraftfahrzeuge in Höhe von insgesamt 57.656,99 EUR reguliert. Zweifel an den jeweiligen Diebstählen der Fahrzeuge unter Verwendung der bei der Beklagten bestellten Ersatzschlüssel bestünden nicht. Die Klägerin habe diese durch Vorlage der Schadensanzeigen, des polizeilichen Ermittlungsberichtes und der Äußerungen der Eigentümer zu der fehlenden durch sie veranlassten Nachschlüsselbestellung sowie unter Berücksichtigung des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Bestellung des Ersatzschlüssels und der jeweiligen Tatzeit ausreichend substantiiert dargelegt. Das Bestreiten der Beklagten sei deshalb mangels Substanz nicht ausreichend. Die jeweiligen Diebstähle seien der Beklagten zurechenbar, weil diese die Ersatzschlüssel auf Bestellung der in L. ansässigen Firma U.-A. (im Folgenden: U.) lediglich unter Prüfung der Fahrzeugidentifikationsnummer und ohne Anforderung eines weiteren Berechtigungsnachweises beschafft und an die U. übersandt habe. Als Vertragshändlerin habe sie eine "Schlüsselstellung", weil sie Fahrzeugschlüssel nachbestellen und in den Verkehr bringen und damit Dritten den Zugriff auf die Fahrzeuge ermöglichen könne. Sie trage deshalb eine gesteigerte Verantwortung und Prüfpflicht und müsse die Berechtigung des Bestellers sich eindeutig belegen lassen. Die Mitteilung der Fahrzeugidentifikationsnummer sei dazu nicht ausreichend. Diese sei auch Unbefugten zugänglich, weil sie an vielen Fahrzeugen von außen an der Windschutzscheibe ablesbar sei. Der haftungsbegründende Zurechnungszusammenhang sei auch nicht ausgeschlossen, weil Dritte die Fahrzeugdiebstähle begangen hätten. Durch die Auslieferung der Ersatzschlüssel habe die Beklagte eine Gefahrenlage geschaffen, die bei den Diebstählen gerade ausgenutzt worden sei. Schließlich sei ein Schadensersatzanspruch auch nicht wegen des Einwands des rechtmäßigen Alternativverhaltens ausgeschlossen.
Gegen dieses Urteil, auf dessen Begründung im Einzelnen ebenfalls verwiesen wird, richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klagabweisungsantrag aus der ersten Instanz weiterverfolgt.
Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte aus, sie habe, soweit das Landgericht haftungsbegründend auf die Übersendung der von ihrem Vertragspartner bestellten Ersatzschlüssel abgestellt haben sollte, lediglich ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllt. Das Landgericht habe auf ein Unterlassen der Beklagten abgestellt und sei irrig von der Annahme ausgegangen, dass sie eine Gefahrenquelle geschaffen habe, indem sie die Schlüsselbestellungen für ihren Vertragspartner ausgeführt habe. Die Lieferung von Ersatzteilen - wozu auch Ersatzschlüssel zählten - an Werkstattbetriebe im Ausland begründe keine besonderen Pflichten, zumal sie an einem Vertragspartner ausgeliefert worden seien, zu dem zu dem Zeitpunkt eine langjährige Vertragsbeziehung bestanden habe. Die vom Hersteller V. AG vorgesehene Nachweiskarte begründe ausschließlich Prüfpflichten, wenn der Endkunde einen Ersatzschlüssel bestelle, nicht aber bei Bestellungen von Vertragspartnern der Beklagten. Zudem hätte eine Überprüfung durch die Beklagte in diesen Fällen zu keinen Erkenntnissen geführt. Anhand der Fahrzeugidentifikationsnummer könne nicht festgestellt werden, wo das betreffende Fahrzeug zugelassen sei. Die Überprüfung könne nur in dem Betrieb durchgeführt werden, der die unmittelbaren Kontakte zum Fahrzeughalter habe. Sie bestreitet zudem, dass es in L. Dokumente g...