Leitsatz (amtlich)
1. Der Architekt ist nicht bereits kraft seiner Bestellung uneingeschränkt bevollmächtigt, den Auftraggeber beim Abschluss von Verträgen zu vertreten oder rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben, die dem Bauherrn erhebliche Verpflichtungen auferlegen.
2. Bei der Abgrenzung zwischen mehreren Schadensverursachern (hier: planender Architekt und bauausführendes Unternehmen) ist zu berücksichtigen, dass Planungsfehler grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des planenden Architekten, Ausführungsfehler hingegen in den Verantwortungsbereich des bauausführenden Unternehmers fallen.
3. Die Überwachungspflicht des bauleitenden Architekten dient regelmäßig nicht dem Schutz des bauausführenden Unternehmens, sondern dem Schutz des Auftraggebers.
4. Der planende Architekt kann sich im Innenverhältnis gegenüber dem Bauherrn nicht zu seiner Entlastung darauf berufen, dass der Bauunternehmer die fehlerhaft geplante Bauleistung nicht fachgerecht ausgeführt hat.
5. Der Bauherr muss sich den Planungsfehler seines Architekten im Verhältnis zum Auftraggeber gem. §§ 254, 278 BGB zurechnen lassen.
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 02.11.2016; Aktenzeichen 2 O 165/15) |
Tenor
Die Berufung des Streithelfers des Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Hildesheim vom 02.11.2016 - 2 O 165/15 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Streithelfer des Beklagten zu tragen.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 6.007,31 EUR.
Gründe
(gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO):
I. Die Parteien streiten um die Neueindeckung eines Hauses im Jahr 2012. Die Klägerin ist die Auftragnehmerin, der Beklagte der Auftraggeber und Hauseigentümer, sein Streithelfer der Planer, der auch mit der Vergabe, Bauleitung und Objektbetreuung beauftragt war (Leistungsumfang entsprechend den Leistungsphasen 1 bis 9 gem. §§ 33 HOAI 2009).
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil, mit dem der Klage überwiegend stattgegeben worden ist.
Hiergegen wendet sich der Streithelfer des Beklagten, der mit seiner Berufung die Klageabweisung erreichen möchte.
Der Streithelfer meint, das Werk der Klägerin sei mangelhaft gewesen. Er sei nicht befugt gewesen, Zusatzaufträge zu erteilen, die hier auch nicht geringfügig gewesen wären. Eine Genehmigung des beklagten Auftraggebers habe es auch nicht gegeben. Die streitbefangene Maßnahme sei zudem eine Nachbesserung gewesen, die sowieso kostenlos gewesen sei und die nicht mit einer weiteren Kostenpflicht hätte vergeben werden können. Bei dem sog. "Zusatzauftrag" sei es nur darum gegangen, dass die Klägerin ein funktionstaugliches Werk herstelle.
Er habe auch keinen Planungsfehler zu verantworten. Zwar sei er als planender Architekt Erfüllungsgehilfe des beklagten Bauherrn gegenüber der klagenden Auftragnehmerin. Das gelte aber nicht, wenn die Klägerin den Planungsfehler fahrlässig nicht erkannt oder erkannt habe, ohne Bedenken anzumelden. Die Klägerin hätte erkennen müssen, dass die vorgegebene Ausführung der Dachabdichtung, die nach der Planung des Streithelfers auf der Firsthöhe geendet habe, unzureichend war und die Dachabdichtung zur Vermeidung eines Feuchtigkeitseintritts bis zur Attika hätte hochgeführt werden müssen. Demnach stünde auch kein Mitverschulden des beklagten Bauherrn im Raum aufgrund einer fehlerhaften Planung des Streithelfers, die sich der Beklagte zurechnen lassen müsste.
Die vom LG angesetzte Quote mit 70 % Haftungsanteil zulasten des Beklagten aufgrund des Planungsfehlers des Streithelfers, den sich der Beklagte gem. §§ 254, 278 BGB zurechnen lassen müsse, sei zu hoch. Die Klägerin hätte die Planung des Streithelfers auf ihre Eignung für die mangelfreie Herstellung des Werks prüfen müssen. Sie sei ein Spezialunternehmen; da müssten höhere Anforderungen an ihre Prüfungspflicht gestellt werden. Sie hätte sich nicht auf die Planung verlassen dürfen. Auch bestimmte planerische Vorgaben entlasteten sie nicht von ihren Prüfungspflichten. Das gelte insbesondere für Dachabdichtungsmaßnahmen. Bedenkenanmeldungen, die evtl. hätten entlasten können, habe es nicht gegeben. Daher müsste die Klägerin mit mindestens 50 % selbst haften, wie es auch das OLG Braunschweig in einem vergleichbaren Fall entschieden habe (8 U 203/10 v. 17.01.2013). Warum vorliegend eine andere Quote als die des OLG Braunschweig in Ansatz gebracht werden sollte, habe das LG nicht dargelegt.
Der vom LG bestellte Sachverständige G. habe zudem einen Planungsfehler nicht plausibel begründet. Bei einem "systemischen Mangel" hätte es überall zu Feuchtigkeitseintritten kommen müssen und nicht "zufallsbedingt" - wie es der Gutachter nach Ansicht des Streithelfers gewertet habe - an einigen Stellen. Es hätte über Jahre hinweg regelmäßig zu Einregnungen kommen müssen, was aber nicht der Fall ...