Leitsatz (amtlich)
Die Unterbrechungswirkungen der §§ 240, 249 ZPO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten nicht für das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, §§ 240, 249
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 2 O 58/02) |
Nachgehend
Tenor
Das LG Berlin ist zuständig.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe
Das LG Berlin war gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO als zuständiges Gericht zu bestimmen. Denn der Verweisungsbeschluss des LG Hannover vom 7.1.2002 entfaltet gem. § 281 Abs. 2 S. 5 ZPO Bindungswirkung für das LG Berlin.
Zwar trifft es zu, dass die Klägerin mit Erhebung ihrer Klage vom 10.10.2001 vor dem LG Hannover grundsätzlich ihr Wahlrecht aus § 35 ZPO ausgeübt und „verbraucht” hatte. Grundsätzlich kommt einem Verweisungsbeschluss, der wie der Beschluss des LG Hannover vom 7.1.2002 eine Verweisung an ein nur konkurrierend zuständiges Gericht – hier das LG Berlin nach § 29 ZPO – ausspricht, keine Bindungwirkung zu, weil ein solcher Beschluss im Regelfall „objektiv willkürlich” ist (vgl. z.B. BGH v. 19.1.1993 – X ARZ 845/92, MDR 1993, 576 = NJW 1993, 1273).
Das ist aber ausnahmsweise dann anders, wenn der Verweisungsbeschluss auf ausdrücklichem, übereinstimmenden Willen der Parteien beruht. Denn ein auch im Übrigen rechtlich fehlerhafter Beschluss ist nicht mehr objektiv willkürlich, wenn er (nur) dem übereinstimmenden Parteiwillen Rechnung trägt (BGH v. 19.1.1993 – X ARZ 845/92, MDR 1993, 576 = NJW 1993, 1273, vgl. ferner Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 35 Rz. 2, § 690 Rz. 15).
Diese Voraussetzung einer ausnahmsweise wegen übereinstimmenden Parteiwillens eingreifenden Bindungswirkung trotz sonstiger Fehlerhaftigkeit des Verweisungsbeschlusses ist hier erfüllt. Denn die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 18.12.2001 (Bl. 22 d.A.) ebenso wie die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.12.2001 (Bl. 23) Verweisung an das LG Berlin beantragt. Hierbei kann entgegen der Erwägung des LG Berlin im Beschluss vom 17.5.2002 S. 2 unten (Bl. 98 unten d.A.) auch nicht etwa angenommen werden, dass das LG Hannover seinerseits die Verweisung nach Berlin in irgend-einer Weise gleichsam „provoziert” hätte und die Verweisung deshalb rechtsmiss-bräuchlich erscheint. Denn nach Aktenlage hat das LG Hannover bis zu den Anträgen der Parteien vom Dezember 2001 gerade nicht auf eine Verweisung an ein anderes Gericht hingewirkt. Die Anträge beruhen vielmehr, wie der Schriftsatz der Beklagten vom 5.4.2002 (Bl. 36 d.A.) deutlich macht, auf einer Vereinbarung der Parteien, entsprechen also deren wahrem Willen.
Ob das LG Hannover die übereinstimmend auf Grund nachweislicher Prorogation beantragte Verweisung auch seinerseits hätte ablehnen dürfen oder aus Rechtsgründen hätte evtl. sogar ablehnen müssen, ist hierbei unerheblich, weil die nur auf übereinstimmendem Willen der Parteien beruhende Verweisung jedenfalls nicht mehr willkürlich ist. Im Übrigen sei nur angemerkt, dass die Behandlung der Sache wegen der Örtlichkeit des Bauvorhabens und Auftragsvergabe auch durch das LG in Berlin nur zweckmäßig erscheint.
Im Übrigen war der Senat auch nicht durch das zwischenzeitlich mit Beschluss des AG Frankfurt/Main vom 1.6.2002 eröffnete Insolvenzverfahren daran gehindert, das zuständige Gericht gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen. Denn die §§ 239 ff. ZPO sind in erster Linie auf solche Verfahren zugeschnitten, die eine obligatorische mündliche Verhandlung voraussetzen. Für das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gelten die §§ 239 ff. ZPO nach Auffassung des Senats nicht, weil das Verfahren nach § 36 ZPO kein Hauptsacheverfahren i.S.d. §§ 240, 249 Abs. 2 ZPO ist, sondern dieses erst vorbereiten soll (wie hier für den Fall der Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ferner Zöller/Greger, 23. Aufl., ZPO, vor § 239 Rz. 18; BayObLG v. 10.9.1985 – AllReg. 38/85, BayObLGZ 85, 314 [315 f.]).
Nach alledem war das LG Berlin als zuständiges Gericht zu bestimmen.
… … …
Fundstellen