Entscheidungsstichwort (Thema)
Revision in Strafsachen: Anforderungen an Verfahrensrüge wegen fehlender Mitteilung über Verständigungsgespräche außerhalb der Hauptverhandlung
Leitsatz (amtlich)
1. Will die Revision eine Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO rügen, so muss sie bestimmt behaupten und konkret darlegen, in welchem Verfahrensstadium, in welcher Form und mit welchem Inhalt Erörterungen mit dem Ziel einer Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben. Zur konkreten Darlegung der Form gehört auch die exakte - regelmäßig namentliche - Benennung der Gesprächsteilnehmer.
2. Da die Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 212 StPO nur vom "Gericht" geführte Erörterungen mit den Verfahrensbeteiligten erfasst, fallen hierunter in Verfahren vor einer großen Strafkammer nur solche Gespräche, an denen entweder alle Berufsrichter teilgenommen haben oder in denen die Strafkammer sich - nach außen deutlich - durch eines ihrer Mitglieder aufgrund entsprechender Beratung geäußert hat.
Normenkette
StPO §§ 202a, 212, 243 Abs. 4 S. 2, §§ 257c, 273 Abs. 1a S. 3, § 344 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LG Stade (Entscheidung vom 30.04.2013) |
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Stade vom 30. April 2013 wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die durch die Revision entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten und der Nebenklägerin zu tragen hat, als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Stade wendet sich mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision gegen das Urteil der 13. Jugendkammer des Landgerichts Stade vom 30. April 2013, mit dem auf die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin das den Angeklagten freisprechende Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Tostedt vom 21. November 2012 aufgehoben und der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden ist, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist (angewendete Vorschriften: §§ 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 6, 56 StGB).
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erhielt der bislang unbestrafte Angeklagte am späten Abend des 1. Juni 2011 in seiner Wohnung Besuch von seiner damals 19jährigen Tochter K. K. und deren Freundin, der damals 14 Jahre alten Nebenklägerin J. S. Nach dem gemeinsamen Konsum von Alkohol legte sich zunächst die Nebenklägerin und später auch der Angeklagte und seine Tochter auf dem Schlafsofa im Wohnzimmer schlafen. Als die Nebenklägerin fest schlief, schob der neben ihr liegende Angeklagte ihre Schlafhose und ihre Unterhose herunter und drang mit seinem erigierten Penis anal in sie ein. Dabei war dem Angeklagten bewusst, dass die Nebenklägerin zu diesem Zeitpunkt immer noch schlief. Ein Kondom. verwendete der Angeklagte nicht. Als er schon ein Stück weit in sie eingedrungen war, erwachte die Nebenklägerin von den dadurch verursachten Schmerzen. Dies bemerkte der Angeklagte. Die Nebenklägerin bat den Angeklagten mehrfach mit leiser Stimme aufzuhören. Der Angeklagte drang aber weiter anal in ihren Körper ein. Die Nebenklägerin weinte und sagte immer wieder "nein". Dies alles sagte sie sehr leise und nicht deutlich, um die Tochter des Angeklagten nicht zu wecken, welche auf der anderen Seite des Sofas schlief, einerseits weil sie sich sehr schämte, andererseits weil sie Angst vor deren Reaktion hatte. Weitere Gegenwehr erfolgte nicht. Der Angeklagte selbst wandte keine Gewalt an. Der Angeklagte drang anschließend auch vaginal in die Nebenklägerin ein und wechselte im weiteren Verlauf wiederholt zwischen vaginalem und analem Verkehr. Bei einem erneuten Wechsel zwischen analer und vaginaler Penetration stand die Nebenklägerin schnell auf, zog sich unverzüglich an und verließ die Wohnung. Zu einem Samenerguss kam der Angeklagte nicht.
Diese Feststellungen hat das Landgericht aufgrund der vollumfänglich geständigen Einlassung des Angeklagten, der glaubhaften Angaben der als Zeugin vernommenen Nebenklägerin und des mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. S. A., Facharzt für Rechtsmedizin an der Universitätsklinik H.-E., getroffen.
Das Landgericht hat einen minder schweren Fall angenommen und die Strafe dem Strafrahmen des § 179 Abs. 6 StGB entnommen, welcher Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vorsieht. Dabei hat das Landgericht zugunsten des Angeklagten gewertet, dass er bisher unbestraft ist, dass es sich um eine spontane und einmalige Situationstat unter leichter alkoholbedingter Enthemmung handelte und dass der Angeklagte ansonsten gesellschaftlich integriert lebt. Besonderes Gewicht maß es dem vollumfassenden, von Reue getragenen Geständnis bei. Zuungunsten des Angeklagten hat das Landgericht gewertet, dass die Nebenklägerin zum Tatzeitpunkt erst 14 Jahre alt war und erst am Anfang ihrer sexuellen Entwicklung stand, wenngleich sie vor dem Vorfall bereits sexuell mit einem Mann verkehrt hatte, und dass der Angekla...