Leitsatz (amtlich)
1. Das Fehlen von Feststellungen zum Wirkstoffgehalt gefährdet den Bestand des Schuldspruchs dann nicht, wenn festgestellt ist, dass es sich tatsächlich um Betäubungsmittel handelt und nach ihrem Bruttogewicht ausgeschlossen werden kann, dass die Grenze zur nicht geringen Menge i.S.d. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG überschritten ist oder ein Fall des § 29 Abs. 5 BtMG vorliegt.
2. Ist aufgrund des Fehlens von Feststellungen zum Wirkstoffgehalt lediglich der Schuldumfang nicht erkennbar, kann sich dies allein auf den Bestand des Rechtsfolgenausspruchs auswirken. (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).
Normenkette
BtMG § 29 Abs. 5, § 29a Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Entscheidung vom 03.11.2010) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Hinblick auf den Freispruch des Angeklagten und im Rechtsfolgenausspruch mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Verden zurückverwiesen.
Gründe
I. 1. Das Amtsgericht Walsrode verurteilte den Angeklagten am 06.01.2010 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Das Amtsgericht Walsrode verurteilte den Angeklagten weiter mit Urteil vom 03.03.2010 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten. Das Amtsgericht hat hierzu festgestellt, dass der Angeklagte im Zeitraum vom 01.01.2009 bis zum 31.05.2009 in drei Fällen Kokain zu jeweils 1 bis 2 g für 75 € pro Gramm und in einem weiteren Fall 10 g Marihuana für 100 € an den Zeugen P. verkauft hat.
Gegen das Urteil vom 06.01.2010 legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein, die sie auf den Rechtsfolgenausspruch mit dem Ziel beschränkte, die Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung in Wegfall zu bringen.
Gegen das Urteil vom 03.03.2010 hat der Angeklagte Berufung eingelegt. Ziel seines Rechtsmittels war ein Freispruch.
Mit Beschluss vom 29.06.2010 hat das Landgericht beide Berufungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Mit dem angefochtenen Urteil verwarf die 13. kleine Strafkammer des Landgerichts Verden die Revision der Staatsanwaltschaft. Auf die Berufung des Angeklagten hob sie das Urteil vom 03.03.2010 auf und sprach den Angeklagten vom Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen frei.
2. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts lebt der heute 25 Jahre alte Angeklagte, der in Deutschland geboren ist, mit seinen Eltern und vier Geschwistern in W. Der Angeklagte, welcher sowohl über die deutsche als auch über die türkische Staatsangehörigkeit verfügt, hat keinen Schulabschluss erlangt. Von 2007 bis Mitte 2008 arbeitete der Angeklagte als Lagerist, nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit arbeitet er seit Mitte 2009 wieder in diesem Beruf. Er verfügt über ein Einkommen von monatlich 900 € netto.
b) Der Angeklagte ist seit dem Jahre 2001 mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Am 02.08.2001 verurteilte ihn das Amtsgericht Walsrode wegen gemeinschaftlicher räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchter gemeinschaftlicher räuberischer Erpressung in zwei Fällen und wegen Diebstahls zu vier Wochen Jugendarrest. Im Jahr 2003 wurden zwei Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung und wegen Körperverletzung nach § 45 Abs. 1 JGG eingestellt. Das Amtsgericht Walsrode stellte am 02.06.2003 ein Strafverfahren gegen ihn wegen Bedrohung nach § 47 JGG ein und legte ihm die Erbringung von Arbeitsleistungen auf. Am 22.07.2004 verurteilte ihn das Amtsgericht Walsrode wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen zur Erbringung von Arbeitsleistungen. Am 27.01.2005 verurteilte ihn das Amtsgericht Walsrode wegen gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung sowie wegen Betruges zu vier Tagen Jugendarrest und belegte ihn mit einer richterlichen Weisung. Am 20.10.2005 verurteilte ihn das Amtsgerichts Walsrode wegen Diebstahls, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung in zwei Fällen, Bedrohung und vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen zu sechs Monaten Jugendstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit musste zweimal, nämlich bis zum 19.04.2010, verlängert werden. Am 01.02.2007 verurteilte ihn das Amtsgericht Walsrode wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zur Erbringung von Arbeitsleistungen. Am 12.07.2007 verurteilte ihn das Amtsgericht Walsrode wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die ...