Leitsatz (amtlich)
Der Vorstand einer Aktiengesellschaft verletzt das Neutralitätsgebot, wenn er einen Aktionär durch Aussenden eines im Namen der AG formulierten Kaufangebotes darin unterstützt, nicht börsennotierte Namensaktien zu erwerben. Ein anderer Aktionär, dem die Aktionärsanschriften unbekannt sind, kann nicht gestützt auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 53a AktG die Aussendung eines gleichartigen Angebots zu seinen Gunsten verlangen.
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 30.11.2005; Aktenzeichen 22 O 61/05) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Hannover vom 30.11.2005 abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden, wenn er Sicherheit i.H.v. 115 % der Kostenerstattungsforderung leistet, sofern die Beklagte nicht zuvor Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Der Kläger ist seit Jahrzehnten Aktionär der Beklagten. Er begehrt die Versendung eines schriftlichen Kaufangebots an andere Inhaber von Namensaktien durch die Verwaltung der Beklagten in Gleichbehandlung mit einem Großaktionär der Beklagten.
Dem Klägerg ing im Mai 2005 ein auch an andere Aktionäre gerichtetes Schreiben der Beklagten zu, in dem zugunsten der Großaktionärsfamilie D, die den Alleinvorstand der Beklagten stellt, ein Kaufangebot für die Namensaktien der Gesellschaft unterbreitet wurde. Zuvor hatte sich ein anderer Großaktionär, Dr. M. mit einem Kaufangebot unmittelbar an die Minderheitsaktionäreg ewandt. Der Kläger begehrt unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 53a AktG die Aussendung eines von ihm vorformulierten Briefes durch die Beklagte, dessen Inhalt die wesentlichen Formulierungen des Schreibens der Beklagten aufgreift, mit dem das Kaufangebot der Aktionärsgruppe D unterbreitet wurde. Die Beklagte beruft sich darauf, sie habe durch dieses Schreiben Unsicherheit unter den Minderheitsaktionären dämpfen müssen, die durch das vorangegangene Kaufangebot M. ausgelöst worden sei. Wegen des weiteren Vorbringens der ersten Instanz und der Gründe des der Klage stattgebenden Urteils des LG wird auf dessen Urteil Bezug genommen.
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung, wie sie in der mündlichen Verhandlung vordem Senat klargestellt hat, ihren Klagabweisungsantrag weiter. Sie meint, § 53a AktG stütze das Klagebegehren nicht. Da schon das Schreiben der Beklagten vom Mai 2005 nach Auffassung des Klägers rechtswidrig gewesen sei, berufe er sich auf eine Gleichheit im Unrecht, die der Rechtsordnung fremd sei. U.a. rüge der Kläger selbst einen Verstoß gegen Insidervorschriften. Eine Rechtfertigung in Form einer Beseitigung der Verunsicherung der Aktionäre werde vom Kläger in Zweifelg ezogen. Eine Gleichbehandlung des Klägers mit der Großaktionärsgruppe D. nichtg eboten, weil es sich um ungleiche Sachverhalte handele. Der Kläger verstoße mit seinem Hauptantrag gegen das Schikaneverbot gem. § 226 BGB und gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht. Die Kostenbelastung der Beklagten durch eine Briefversendung sei erheblich; sie belaufe sich unter Berücksichtigung der Personalkosten und der Sachkosten auf 17 EUR pro Brief. Unrichtig habe das angefochtene Urteil die Kostenübernahmebereitschaft des Klägers zur Begründung herangezogen. Eine derartige Bereitschaft komme weder im Urteilstenor noch in dem Klageantrag zum Ausdruck. Der Kläger könne zudem nicht die Formulierung verlangen, er sei dem Hause der Beklagten eng verbunden. Zum wiederholten Male habe er zu Unrecht gegen die Beklagte geklagt.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Aufrechterhaltung seines erstinstanzlichen Hauptantrages und der beiden in erster Instanz hilfsweise gestellten Auskunftsanträge; Die Behauptung, mit dem Schreiben vom Mai 2005 hätte eine Verunsicherung von Aktionären ausgeglichen werden müssen, sei unsubstantiiert. Allenfalls hätten Aktionäre versucht, die Hintergründe der Offerte zu erforschen. Zudem sei zur Beseitigung einer Verunsicherung kein Angebot zum Erwerb von Aktien erforderlich gewesen. Die Rechtsauffassung, dass es keine Gleichheit im Unrechtg ebe, spiele keine Rolle. Die Aktiengesellschaft habe Registerdaten ihrer Aktionäre für Aufgaben ggü. den Aktionären verwenden dürfen. Sie habe die Kommunikation zwischen den Aktionäreng efördert und erleichtert. Die Kostentragungspflicht der Beklagten ergebe sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Ein Verstoß gegen das Schikaneverbot oder die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht sei nicht gegeben, da der Kläger nur von seinem gesetzlichen Recht Gebrauch mache. Die Aussendung des Schreibens zugunsten der Aktionärsgruppe D. sei im Rahmen eines Konkurrenzkampfes unter den beiden Großaktionären erfolgt.
Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die Berufung ist zulässig, obwohl ein ausdrückl...