Leitsatz (amtlich)

1. Für den in § 9 ARegV vorgesehenen generellen sektoralen Produktivitätsfaktor gibt es keine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage.

2. Gestiegene Kosten für Verlustenergie begründen keinen Härtefall i.S.v. § 4 Abs. 4 ARegV, der ermöglicht, die Erlösobergrenzen anzupassen.

3. Im vereinfachten Verfahren ergibt sich gem. § 34 Abs. 3 ARegV das Ausgangsniveau für die Erlösobergrenze in der ersten Regulierungsperiode für Netzbetreiber, deren letzte Genehmigung der Netzkosten auf der Datengrundlage des Jahres 2004 beruhen, aus dem Ergebnis dieser Genehmigung zzgl. eines Inflationsausgleichs für die Jahre 2005 und 2006. § 6 ARegV ist nicht anwendbar. Es ist deshalb weder eine spätere Rechtsprechung des BGH zu berücksichtigen, noch ist die kalkulatorische Gewerbesteuer an die gem. § 7 Abs. 6 S. 1 StromNEV veränderte Eigenkapitalverzinsung anzupassen.

 

Normenkette

EnWG § 21a; AReGV § 4; ARegV §§ 9, 34; StromNEV § 8

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss der Beschwerdegegnerin vom 11.12.2008 - AZ. ... - aufgehoben, mit Ausnahme der Ablehnung des Antrages auf Anpassung der Erlösobergrenze nach § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV.

Die Beschwerdegegnerin wird verpflichtet, einen neuen Festlegungsbescheid mit Wirkung zum 1.1.2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu erlassen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beschwerdeführerin zu 20 % und die Beschwerdegegnerin zu 80 %.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.625.024,79 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführerin ist Betreiberin eines Elektrizitätsverteilernetzes in N. Sie wendet sich mit ihrer am 19.1.2009 (Montag) bei der Beschwerdegegnerin eingegangenen Beschwerde gegen den ihr am 18.12.2008 zugestellten Bescheid der Beschwerdegegnerin vom 12.12.2008 ( ...). Ihre Beschwerdebegründung ist - nach antragsgemäßer Fristverlängerung bis zum 18.3.2009 - am 17.3.2009 beim OLG Celle eingegangen.

Mit Beschluss vom 17.1.2007 hatte ihr die Beschwerdegegnerin auf Grundlage der Werte des Geschäftsjahres 2004 befristet bis zum 31.12.2007 Höchstnetzentgelte genehmigt. Die Genehmigung wurde auf entsprechenden Antrag der Beschwerdeführerin durch Beschluss vom 4.4.2008 bis zum 31.12.2008 verlängert.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Beschwerdegegnerin im Rahmen der Anreizregulierung die Erlösobergrenzen der Netzentgelte in der ersten Anreizregulierungsperiode festgelegt. Zugleich hat sie einen im Hinblick auf gestiegene Kosten für Verlustenergie gem. § 4 Abs. 4 Nr. 2 ARegV gestellten Antrag der Beschwerdeführerin abgelehnt.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin, deren Teilnahme am vereinfachten Verfahren gem. § 24 ARegV durch Beschluss der Beschwerdegegnerin vom 13.12.2007 genehmigt worden war, gegen einzelne Berechnungsfaktoren, insbesondere die Anwendung des § 9 ARegV (sektoraler Produktivitätsfaktor) und die Ablehnung ihres Härtefallantrages im Hinblick auf Verlustenergie.

Sie ist der Ansicht, ein genereller sektoraler Produktivitätsfortschritt sei nicht zu berücksichtigen, weil die diesen regelnden §§ 7 und 9 ARegV rechtswidrig seien. Die Regelungen seien nicht durch die Rechtsgrundlage des § 21a EnWG gedeckt. Auch sei der Faktor nicht methodenrobust ermittelt worden. Die Beschwerdeführerin vertritt zudem die Auffassung, dass die Beschwerdegegnerin ihren Härtefallantrag zu Unrecht zurückgewiesen habe. Auf der Grundlage des Jahres 2004 seien 483.422,24 EUR für Verlustenergie angesetzt worden; 2008 seien diese Kosten aber schon auf 616.075,84 EUR angestiegen, für 2004 sei diesbezüglich ein Betrag von 631.229,03 EUR absehbar. Dadurch würden die Effizienzvorgaben mehr als verdoppelt. Es sei unmöglich, so lange Zeiträume zu prognostizieren. Auch sei sie im Hinblick darauf, dass Strompreise auch sinken könnten, keine langfristigen Preisbindungen eingegangen. Die Beschwerdeführerin hat zudem geltend gemacht, dass die Beschwerdegegnerin zu Unrecht eine Anpassung der Verzinsung des die 40- %-Grenze überschreitenden Eigenkapitals und der sich daraus ergebenden Kostenposition der kalkulatorischen Gewerbesteuer abgelehnt habe.

Soweit ihre Beschwerde ursprünglich auch gegen "den Auflagenvorbehalt betreffend die Abschöpfung vermeintlicher Mehrerlöse" gerichtet war, hat die Beschwerdeführerin diese mit Schriftsatz vom 7.1.2010 wegen ihrer Teilnahme am vereinfachten Pauschalverfahren zur Mehrerlösabschöpfung zurückgenommen; insofern beantragt sie nun, die diesbezüglichen Kosten gegeneinander aufzuheben bzw. die Kosten zu quoteln (Bl. 109 f.).

Soweit sie darüber hinaus zunächst auch die Einordnung der Kapitalkosten für Altinvestitionen als beeinflussbare Kostenanteile sowie das Prinzip der Orientierung am Besten ("Best-Practice") kritisiert hatte, hat sie in der mündlichen Verhandlung vom 22.6.2010 deutlich gemacht, dass insofern eine Nachprüfung nicht begehrt wird.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

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