Verfahrensgang

LG Hildesheim (Urteil vom 22.06.1993; Aktenzeichen 3 O 73/93)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22. Juni 1993 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim teilweise geändert. Die Klage wird abgewiesen mit Ausnahme der Verurteilung zur Zahlung von 4 % Zinsen auf 31.737,52 DM seit dem 13. Januar 1993 bis zum 9. Februar 1993 an den Kläger. Insoweit wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Klägers beträgt 18.000 DM, diejenige der Beklagten beträgt 78 DM.

 

Tatbestand

Die Berufung der Beklagten ist bis auf einen ganz geringfügigen Teil begründet.

I.

Dem Kläger stehen lediglich unter dem Gesichtspunkt des Verzuges (§§ 284 Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB) Zinsen wegen verspäteter Zahlung der Januar-Miete in der zugesprochenen Höhe von 4 % für die Zeit vom 18. Januar bis 9. Februar 1993 zu. Im übrigen bestehen die geltend gemachten und vom Landgericht ausgeurteilten Zinsansprüche nicht, weil die Beklagte berechtigt war, in dem von ihr geltend gemachten Umfang von 15 % der Kaltmiete den Mietzins wegen der Mängel an dem Teppichfußboden zu mindern (§§ 535, 537 BGB). Da der Kläger mithin wegen der berechtigten Minderung die von der Beklagten gestellte Mietbürgschaft zu Unrecht in Anspruch genommen hat, besteht auch kein Anspruch auf Auffüllung der Mietbürgschaft.

1. Minderung

In der Berufungsinstanz ist nur noch streitig, in welchem Umfang die Beklagte als Mieterin aufgrund der von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. Ing. … festgestellten Mängel am Teppichfußboden des Mietobjekts zur Minderung berechtigt war. Zu Recht macht die Beklagte geltend, daß das Landgericht in dem angefochtenen Urteil wegen der Höhe der Minderung ohne eigene Begründung der Schätzung des Sachverständigen gefolgt ist und dabei insbesondere nicht auf die gesamten Umstände abgestellt hat, sondern vielmehr rein rechnerisch anhand des von der Gesamtfläche betroffenen Anteils der Fläche des Teppichfußbodens vorgegangen ist. Die Höhe der Minderung ist von dem Richter aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu bemessen und hängt insbesondere von der Schwere des Mangels, dem Grad und der Dauer der Minderung der Tauglichkeit zu dem vertragsmäßigen Gebrauch ab, wobei eine Gesamtschau anzustellen ist. Dabei kann und hat sich der Richter gegebenenfalls der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen, um Art. und Umfang der streitigen Mängel festzustellen. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat der Richter sodann im Rahmen der Gesamtschau die Höhe der Minderung festzusetzen.

Diese Gesamtschau ergibt in dem hier zu entscheidenden Fall, daß die von der Beklagten mit 15 % des Pachtzinses angesetzte Minderung nicht überhöht war. Die im übrigen zwischen den Parteien unstreitigen Mängel am Teppichboden ergeben sich eindrucksvoll aus den Schilderungen des Sachverständigen in seinem „Protokoll” vom 4. Juni 1993 (Bl. 74–76 d. A.) und aus seinen mündlichen Erläuterungen im Termin vor der Kammer am 8. Juni 1993 (Bl. 70, 71 d. A.). Hierauf wird Bezug genommen. Danach kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht von dem Vorliegen rein optischer Mängel ausgegangen werden. Vielmehr hat tatsächlich eine Stolpergefahr auf jeden Fall bei den abgelösten und aufgeworfenen Kanten und Stößen bestanden. Darauf, ob – wie der Kläger behauptet – eine solche Stolpergefahr nur an wenigen Stellen („handvoll Stellen”) bestanden hat und im übrigen sich die Mängel lediglich rein optisch ausgewirkt haben, kommt es nicht an. Entscheidend ist, daß – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – überhaupt eine Stolpergefahr bestanden hat und daß vor allem für die hier betroffenen Bewohner eines Alten- und Pflegeheims infolge der regelmäßig bei älteren und pflegebedürftigen Menschen vorhandenen Gebrechlichkeiten nicht zuverlässig abzuschätzen war, an welchen Stellen für sie tatsächlich eine Stolpergefahr bestand und an welchen Stellen lediglich ein optischer Mangel vorhanden war. Bereits die Möglichkeit einer Stolpergefahr wirkt sich gerade für Bewohner eines solchen Heims – und zu diesem Zweck war das Objekt auch ausdrücklich vermietet – bei der Nutzung erheblich aus. Dies gilt im übrigen auch für die Besucher, die mit den Örtlichkeiten regelmäßig nicht vertraut sind.

Bei der Bemessung der Höhe der Minderung hat der Senat zusätzlich berücksichtigt, daß auch die rein optisch hervortretenden Mängel von erheblicher Bedeutung für die Beeinträchtigung der Tauglichkeit des Mietobjekts zu dem vertragsmäßigen Gebrauch sind. Für den vorliegenden Fall vermag der Senat dem vom Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgestellten Leitsatz (BB 1989, 1934) nicht zu folgen, wonach im gewerblichen Bereich primär auf den Grad der Betriebsbeeinträchtigung abzustellen sei und optische Mängel nicht ins Gewicht fielen. Jedenfalls für den Bereich eines Alten- und Pflegeheims, dessen Wertschätzung zu einem nicht unerheblichen Teil auch von seinem äußeren Eindruck abhängt...

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