Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallflucht eines alkoholisierten Autofahrers begründet Obliegenheitsverletzung i.S.v. § 7 AKB; teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers
Normenkette
StGB § 142; VVG § 6; AKB § 7
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 18.02.2009; Aktenzeichen 6 O 195/08) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 18.2.2009 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des LG Hannover teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 916,02 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.8.2008 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten bis zu einem Höchstbetrag von insgesamt 7.500 EUR sämtliche Aufwendungen zu ersetzen, die der Beklagten als Kfz-Haftpflichtversicherer aus dem Unfallereignis vom 27.12.2007 künftig noch entstehen und deren Regulierung sie nach denn Umständen für erforderlich halten darf, sei es in Gestalt berechtigter Ansprüche geschädigter Dritter oder in Gestalt eigener Ermittlungskosten. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht Ansprüche aus einer Kaskoversicherung geltend, die Beklagte verfolgt mit ihrer Widerklage die Erstattung von Aufwendungen, die sie als Kfz-Haftpflichtversicherer erbracht hat.
Der 1935 geborene Kläger, von Beruf Ingenieur, ist Eigentümer eines Pkw Mercedes Benz SLK 200, der bei der Beklagten haftpflicht- und mit einer Selbstbeteiligung von 300 EUR vollkaskoversichert ist.
Am 27.12.2007 besuchte der Kläger ein Gasthaus in der S. straße in G. Als er gegen 17:40 Uhr sein Fahrzeug rückwärts ausparkte, hielt er auf dem gegenüberliegenden Fahrstreifen verkehrsbedingt an. Sodann fuhr er nicht vorwärts, sondern rückwärts weiter, über eine Bordsteinkante und gegen die Außenmauer eines Wohnhauses (Skizze Bl. 54 d.A.), wodurch der Pkw des Klägers und die Hausfassade beschädigt wurden. Der Kläger setzte seine Fahrt anschließend fort und fuhr gemeinsam mit seiner Ehefrau als Beifahrerin zu seinem ca. 800 m entfernt liegenden Wohnhaus.
Die Eigentümerin des Hauses informierte die Polizei, die den Kläger ermittelte und zuhause aufsuchte. Eine um 19:15 Uhr dem Kläger entnommene Blutprobe ergab einen Blutalkoholgehalt von 0,9g -. Mit Urteil des AG G. wurde der Kläger wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr und unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40 EUR verurteilt. Mit seiner Klage macht der Kläger voraussichtliche Reparaturkosten i.H.v. 8.777,84 EUR geltend (Bl. 16 d.A.). Ein von der Beklagten beauftragter Sachverständiger ermittelte an der beschädigten Fassade einen Schaden i.H.v. 1.900 EUR, wovon wegen nicht unerheblicher Vorschäden die Beklagte 190 EUR abzgl. MwSt. zzgl. einer Pauschale von 25 EUR erstattete. Deswegen und wegen weiterer Kosten (S. 11 der Klagerwiderung, Bl. 43 d.A., Belege Bl. 56 ff. d.A.) hat die Beklagte widerklagend einen Betrag von 916,02 EUR geltend gemacht sowie die Feststellung beantragt, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten sämtliche Aufwendungen zu ersetzen, die ihr als Kfz-Haftpflichtversicherer aus dem Unfallereignis zukünftig noch entstehen, sei es durch berechtigte Ansprüche geschädigter Dritter oder durch eigene Ermittlungskosten, begrenzt auf einen Betrag bis zu 10.000 EUR (Bl. 77 d.A.).
Der Kläger hat vorgetragen, der Unfall beruhe auf einem nicht alkoholbedingten Fahrfehler, nämlich einem "Schaltfehler". Zur anschließenden Entfernung vom Unfallort sei es gekommen, weil der Kläger unter den Folgen eines Bandscheibenvorfalles und einer Hüftgelenkoperation gelitten habe. Der Aufprall habe heftige Schmerzen ausgelöst; außerdem sei das Hörgerät ausgefallen. Die Gesamtumstände hätten einen Schock verursacht. Mit seiner Ehefrau habe er verabredet gehabt, dass diese an den Unfallort zurückkehre.
Die Beklagte, die mit Schreiben vom 11.1.2008 (Bl. 7 d.A.) den Versicherungsvertrag mit sofortiger Wirkung gekündigt hatte, hat ihre Leistungsablehnung darauf gestützt, dass der Unfall auf die Alkoholisierung des Klägers zurückzuführen sei, der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt und außerdem seine Obliegenheiten verletzt habe.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Durch die Verkehrsunfallflucht habe der Kläger seine Aufklärungsobliegenheit verletzt. Von einem Augenblicksversagen sei nicht auszugehen. Entlastende besondere Umstände habe der Kläger nicht dargelegt. Auch die Voraussetzungen der Relevanzrechtsprechung seien gegeben. Die Widerklage sei begründet, weil der Kläger durch die vorsätzliche Verkehrsunfallflucht gegen seine Aufklärungsobliegenheit verstoßen habe. Außerdem bestehe kein Versicherungsschutz wegen der Alkoholisierung des Klägers. Leistungsfrei sei die Beklagte ferner gem. § 12 Abs. 3 ...