Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung eines Vertrages über einen vorzeitigen Erbausgleich. Anerkennung der Vaterschaft. gerichtliche Feststellung der Abstammung. Pflichtverletzung eines anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages. Verjährung der Anfechtungsfrist
Leitsatz (amtlich)
Die Anfechtung eines Vertrages über einen vorzeitigen Erbausgleich (§ 1934 BGB a.F.) durch ein nichteheliches Kind mit dem Ziel, Pflichtteilsansprüche geltend zu machen, setzt voraus, dass die Abstammung anerkannt oder durch gerichtliche Entscheidung mit Wirkung für und gegen alle festgestellt ist.
Normenkette
BGB a.F. § 1934; BGB §§ 280, 675, 1600d a.F., § 1934
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 20.06.2006; Aktenzeichen 9 O 416/05) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 20.6.2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des LG Lüneburg wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet, die die jeweils zu vollstreckende Forderung um 10 % übersteigt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den beklagten Rechtsanwalt auf Schadensersatz wegen Verletzung von Pflichten aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag in Anspruch.
Der Kläger erteilte dem Beklagten am 5.4.2004 den Auftrag, einen zwischen ihm, dem Kläger, und seinem vermeintlichen Vater, W. B., im Jahr 1974 geschlossenen notariellen Vertrag über einen vorzeitigen Erbausgleich gem. § 1934 BGB anzufechten. Nach dem Inhalt jener notariellen Vereinbarung, die auf ein am 24.4.1974 von W. B. angenommenes Angebot des Klägers vom 14.4.1974 zurückging, hat W. B. dem Kläger im Wege des vorzeitigen Erbausgleichs einen Betrag von 2.000 DM gezahlt. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei durch W. B. über dessen damalige Einkünfte und damit die Grundlage für die Bemessung der Erbausgleichszahlung getäuscht worden. Der Kläger hat daher den Beklagten am 5.4.2004 beauftragt, die Erbausgleichsregelung anzufechten und Schadensersatz geltend zu machen. Der Beklagte hat die Anfechtung mit Schreiben vom 4.8.2004 erklärt. Diese konnte jedoch wegen der zwischenzeitlich eingetretenen absoluten Verjährungsfrist von 30 Jahren keine Wirkung mehr entfalten.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei für die Verjährung des Anspruchs verantwortlich. Durch den Verlust des Anfechtungsrechts sei ihm ein Schaden in Höhe seines Erbanspruchs, der ihm nach dem am 6.1.2004 verstorbenen W. B. zugestanden hätte, entstanden. Er, W. S., sei der nichteheliche Sohn des W. B. Der notarielle Vertrag über den vorzeitigen Erbausgleich habe auf einer falschen Berechnung beruht, die auf eine arglistige Täuschung des Erblassers durch falsche Angaben zu seiner Wirtschaftskraft zurückzuführen sei. Die Ausgleichszahlung i.H.v. 2.000 DM sei daher bei weitem zu gering ausgefallen. Der Gesamtnachlass nach W. B. habe 155.820,27 EUR betragen. Hiernach hätte dem Kläger bei wirksamer Anfechtung des Erbausgleichsvertrages neben der Ehefrau des W. B. und einem weiteren Kind ein Viertel zugestanden, mithin ein Betrag von 38.955,07 EUR. Zudem hat der Kläger einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten geltend gemacht.
Er hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, 38.955,07 EUR nebst 5 % Zinsen über Basiszins seit dem 13.8.2004 zu zahlen sowie den Beklagten weiter zu verurteilen, an den Kläger für vorgerichtliche Kosten 733,70 EUR nebst 5 % Zinsen über Basiszins seit dem 13.8.2004 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, dem Kläger hätten ohnehin keine Erbansprüche zugestanden. Voraussetzung eines solchen Anspruchs sei nicht nur, dass W. B. tatsächlich Vater des Klägers sei. Die Geltendmachung von Ansprüchen durch ein nichteheliches Kind setze gem. § 1600d Abs. 4 BGB zudem voraus, dass die Abstammung rechtskräftig festgestellt sei. Hieran fehle es. Es habe zu keinem Zeitpunkt ein gerichtliches Verfahren gegeben, in dem W. B. als Vater des Klägers festgestellt worden sei. Im Übrigen sei er durch den Kläger vor Verjährung der Ansprüche nicht hinreichend über die für eine Anfechtung erforderlichen Umstände informiert worden. Zudem habe die zweite Ehefrau des Erblassers die Anfechtung als berechtigt anerkannt, sich mithin nicht auf den Ablauf der Anfechtungsfrist berufen.
Das LG hat Beweis erhoben durch Einholung einer behördlichen Auskunft der Stadt X. zur Frage, ob die Vaterschaft des W. B. im Personenstandsregister eingetragen ist. Eine Eintragung hat sich hierbei nicht feststellen lassen.
Auf der Grundlage dieses Sachverhalts hat das LG die Klage mit der Begründung abgewiesen, es könne nicht festgestellt werden, dass die Pflichtverletzung des Beklagten, die in der Versäumung der Anfechtungsfrist liege und zu bejahen sei,...