Leitsatz (amtlich)

1. Ingenieurverträge als Werkverträge können nach dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben vom Ingenieur und vom Auftraggeber aus wichtigem Grund gekündigt werden. Der wichtige Kündigungsgrund kann in einer schwer wiegenden schuldhaften Verletzung oder einer sonstigen Zerstörung des vertraglichen Vertrauensverhältnisses bestehen, die eine Fortsetzung des Vertrages für die andere Partei unmöglich macht.

2. Erteilt der mit brandschutztechnischen Leistungen beauftragte Ingenieur vom Brandschutzgutachter angeforderte Stellungnahmen nicht rechtzeitig und macht er die Bezahlung von Abschlagsrechnungen aus früheren Vertragsverhältnissen zur Bedingung für sein Tätigwerden, obwohl sich der Auftraggeber seinen Zahlungsverpflichtungen erkennbar nicht entziehen will, kann dies aus objektiver Sicht ein Verhalten darstellen, das das Vertrauen des Auftraggebers in eine kooperative Zusammenarbeit mit dem Ingenieur erschüttern kann.

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 16.10.2013; Aktenzeichen 22 O 82/12)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.10.2013 verkündete Teilurteil der 22. Zivilkammer des LG Hannover [22 O 82/12] wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für sie aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird Bezug genommen auf die Feststellungen in dem angefochtenen Teilurteil der 22. Zivilkammer des LG Hannover vom 16.10.2013 (Bl. 261 - 264 d.A.). Die Klägerin klagt auf Schadensersatz und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen mangelhafter Leistungen und Nichtleistungen aus diversen Ingenieurverträgen sowie auf Rückzahlung überzahlter Vergütung. Die Beklagte hat Feststellungswiderklage zur Klärung der Frage erhoben, ob eine am 19.5.2009 erklärte Kündigung der Klägerin ohne wichtigen Grund erfolgt sei. Dieser Kündigungserklärung war Folgendes vorausgegangen:

Die Verträge der Parteien stammen überwiegend aus den Jahren 2001 bis 2003 und betreffen die Leistungsphasen 4 bzw. 5 bis 9 für Planung der Bauwerke und Anlagen zur Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, der Gas-, Wasser-, Abwasser- und Feuerlöschtechnik, der Wärmeversorgungs-, Brauchwassererwärmungs- und Raumlüftungstechnik, der Elektrotechnik sowie der Aufzugs-, Förder- und Lagertechnik für die Baumaßnahme "Krankenhaus N. - Neubau Chirurgie" (Anlagen K 1 bis 5, Ordner 1). Im Februar 2007 traten im Nachgang zu einer Brandstiftung an dem Objekt diverse Brandschutzmängel zutage; Sanierungsmaßnahmen wurden durchgeführt. Am 15.2.2008 fand eine Projektgruppenbesprechung unter Beteiligung des damaligen Geschäftsführers der Beklagten - Herr K. - wegen der Brandschutzmängel statt (Anlage K 9, Ordner 1).

Am 1.4.2008 besprachen die Parteien Nachtragsvereinbarungen betreffend ihrer oben genannten Verträge (Anlage 39, Ordner 1), wobei sie den Entwurf einer Nachtragsvereinbarung vom 1.6.2007 (Anlage K 38, Ordner 1) erörterten. Eine Einigung über den Beginn der Gewährleistung erzielten die Parteien nicht; die übrigen Punkte des Vereinbarungsentwurfs waren dagegen unstreitig. Wegen der noch offenen Frage zum Gewährleistungsbeginn sollte versucht werden, binnen 14 Tagen eine Einigung zu erzielen.

Am 22.5./5.6.2008 schlossen die Parteien einen Vertrag über die Leistungsphasen 5 bis 8 für Ingenieurleistungen der Brandschutzertüchtigung (Anlagen K 6 und K 7, Ordner 1; Anlage K 6 = Anlage B 02, Anlagen zur Berufungsbegründung) und protokollierten ausdrücklich, dass keine

Einigung über eine Regelung zum Beginn der Gewährleistung erzielt worden sei. Eine Erklärung zur etwaigen vertraglichen Bindung an die übrigen Punkte aus dem Entwurf einer Nachtragsvereinbarung vom 1.6.2007 gaben sie nicht ab.

Im Dezember 2008 erbat die Klägerin von der Beklagten die Übermittlung der vollständigen Ausführungsplanung aller Gewerke für die brandschutztechnische Ertüchtigung als pdf- und dwg-Dateien (Anlagen K 13 bis 16, Ordner 1). Aus Januar 2009 stammt Schriftverkehr der Parteien über eine von der Klägerin gewünschte Mitarbeit der Beklagten im Hinblick auf die bauordnungsrechtlich erforderliche Zulassung im Einzelfall (Anlagen K 18 - 21, Ordner 1). Unter dem 17.2.2009 forderte der Brandschutzgutachter eine Stellungnahme und drohte mit einem Widerruf der erfolgten Teilfreigabe. Dies leitete die Klägerin an die Beklagte weiter mit der Aufforderung, die erforderlichen Informationen beizubringen (Anlagen K 22 und K 23, Ordner 1), wozu es nicht kam. Im März 2009 beauftragte die Klägerin das Ingenieurbüro D. mit der Erstellung der erforderlichen Brandschutzmatrix.

Unter dem 19.3.2009 erstellte die Beklagte Abschlagsrechnungen über insgesamt 126.900,-...

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