Leitsatz (amtlich)
Eine durch § 94 InsO geschützte Aufrechnungsbefugnis wird durch einen rechtskräftigen Insolvenzplan nicht berührt. Der Insolvenzgläubiger bleibt daher ungeachtet eines im Insolvenzplan vorgesehenen Forderungserlasses berechtigt, mit dieser Forderung in ihrer ursprünglichen Höhe gegen eine Forderung des Schuldners aufzurechnen, sofern die weiteren Voraussetzungen einer Insolvenzaufrechnung nach den §§ 94 bis 96 InsO vorliegen. (Abweichung von OLG Celle, Urt. v. 13.11.2008 - 16 U 63/08).
Normenkette
InsO §§ 94, 254; BGB §§ 387, 389
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 30.05.2008; Aktenzeichen 9 O 346/07) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.5.2008 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Hannover wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1-fachen des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des 1,1-fachen des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung restlichen Werklohns auf- grund zweier Bauverträge (Bauvorhaben Schäferkaserne und Jägerkaserne in Bückeburg). Die Parteien streiten (im Berufungsverfahren nur noch) um die Berechtigung einer demgegenüber von der Beklagten mit Schreiben vom 3.7.2007 (Anlage K 1, Bl. 11 d.A.) erklärten Aufrechnung i.H.v. 131.951,32 EUR mit einem entsprechenden Teilbetrag des Bundesanteils an den Steuerrückständen der Klägerin aus der Umsatzsteuer für die Jahre 2005 und 2006.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Dieser ist insoweit klarzustellen, dass die Beklagte ihre Aufrechnung gegen denjenigen Teil der Werklohnforderungen der Klägerin gerichtet hat, die sich auf von der Klägerin erbrachte Bauleistungen aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung beziehen.
Das LG hat mit seinem am 30.5.2008 verkündeten Urteil, auf das der Senat auch zur weiteren Sachdarstellung verweist, der Klägerin lediglich einen Teil der geltend gemachten Zinsforderung (nämlich jeweils Verzugszinsen bis zum Zeitpunkt zweier auf die Rechnung vom 27.12.2006 geleisteter Teilzahlungen von 50.000 und 15.000 EUR) zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hierzu hat das LG ausgeführt: Die Aufrechnung der Beklagten sei wirksam. Der rechtskräftige Insolvenzplan habe nach § 94 InsO das im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Aufrechnungsrecht der Beklagten nicht berührt. Die Beklagte sei insoweit nicht auf die im Plan festgelegte Insolvenzquote beschränkt. Denn § 94 InsO sei nach seinem Wortlaut, dem Willen des Gesetzgebers und dem Sinn und Zweck der Vorschrift dahingehend auszulegen, dass eine Aufrechnung - zeitlich unbegrenzt - möglich sei, sofern nur bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Aufrechnungsrecht bestanden habe. Der Beklagten könne auch weder entgegengehalten werden, dass sie es versäumt habe, gem. § 251 InsO die Versagung der Bestätigung des Insolvenzplanes zu beantragen, noch dass ihr Verhalten - die Erteilung der Zustimmung zum Insolvenzplan - als Verzicht auf das Recht zur Aufrechnung oder gar als sittenwidriges Verhalten qualifiziert werden müsse.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie anfangs ihre Werklohnforderungen i.H.v. 131.951,32 EUR nebst Verzugszinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 4.7.2007 weiterverfolgt hat. Sie hält die Aufrechnung der Beklagten mit den Umsatzsteuerforderungen für die Jahre 2005 und 2006 für unzulässig, jedenfalls für treuwidrig. Das LG habe die Wirkungen des bestätigten Insolvenzplanes und das Verhältnis der §§ 254 ff. InsO zur Vorschrift des § 94 InsO verkannt. Aufgrund der Bindungswirkung des bestätigten Insolvenzplanes müsse die Beklagte dessen gestaltende Wirkung insgesamt gegen sich gelten lassen. Die in dem Plan getroffene Erlassregelung erfasse auch die Erfüllungswirkungen der Aufrechnung. Denn ein Insolvenzplan solle nach seinem Sinn und Zweck gerade dazu dienen, die Insolvenzforderungen der Gläubiger einer abschließenden Entscheidung über ihr Schicksal zuzuführen. Eine Aufrechnung könne deshalb nur dann Berücksichtigung finden, wenn der Insolvenzgläubiger sie bis zum Abstimmungstermin über den Insolvenzplan erkläre oder der Gläubiger sich dem Insolvenzplanvorhaben im Wege eines Widerspruchs nach § 251 InsO widersetze.
Im vorliegenden Fall komme außerdem noch hinzu, dass die Beklagte schon nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB gehalten sei, ihre in den Insolvenzplan einbezogenen Gegenforderungen nicht gegen die Werklohnforderungen der Klägerin aufzurechnen. Das ergebe sich daraus, dass die Vertreterin des Finanzamts Hannover Land II für die Beklagte bindend dem Insolvenzplan im Abstimmungstermin ausdrücklich ihre Zustimmung erteilt und sich so mit der Einbeziehung der angemeldet...