Leitsatz (amtlich)
Der Bauherr kann seine ihn primär treffende Verkehrssicherungspflicht und seine diesbezüglichen Pflichtenstellungen dadurch verkürzen, dass er die Planung und Durchführung des Bauvorhabens zuverlässigen sachkundigen Fachleuten, sei es einem Architekten oder dem Bauunternehmer, überträgt.
Bei wirksamer Delegation der Sicherungspflichten durch den Bauherrn auf den Architekten oder den Bauunternehmer verändern sich die Sorgfaltspflichten des Bauherrn inhaltlich dahin, dass sie lediglich noch in Form von Auswahl-, Instruktions- und Überwachungspflichten fortbestehen.
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 14 O 247/18) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 11. Dezember 2019 verkündete Grundurteil des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover ≪14 O 247/18 ≫ wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferinnen der Klägerin zu tragen.
Das Urteil und das vorgenannte Urteil des Landgerichts Hannover sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit ihrer Teilklage verlangt die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 5.500,- EUR wegen Schlechterfüllung eines Architektenvertrages aus dem Jahr 2017 (Leistungsphasen 1 - 3 und 5 - 9 des § 34 HOAI für die Sanierung der Kelleraußenwände des Verwaltungsgebäudes des Landeskirchenamtes in Hannover). Während der Bauarbeiten war ein zuvor nicht sichtbarer Lüftungsschacht freigelegt worden. Obwohl auf einer Baubesprechung am 7. Juni 2017 dessen baldiger Abbruch durch die Fa. G Dienstleistungen GmbH und die anschließende Verschließung der Öffnung durch die Streithelferin zu 2 beschlossen worden war, erfolgte dies bis zum 22. Juni 2017 nicht. Infolge intensiven Niederschlages drang Wasser durch den offenliegenden Schacht in den Archivraum des Kellers. Hierdurch wurden 480 lfm Aktenmaterial (ca. 17.000 Bände) beschädigt, die die Klägerin für 150.966,99 EUR in Form der Gefriertrocknung sanieren ließ. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte die ihr obliegende Bauüberwachung (Leistungsphase 8) mangelhaft erbracht hat sowie ob die Klägerin ein Mitverschulden an der Schadensentstehung trifft. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.
Der Einzelrichter der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover hat nach Vernehmung von sechs Zeugen die Klage mit Urteil vom 11. Dezember 2019, auf dessen Entscheidungsgründe wegen der Einzelheiten verwiesen wird, dem Grunde nach als berechtigt angesehen. Die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, Vorkehrungen gegen das Eindringen von Wasser durch den Schacht vorzunehmen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter. Sie rügt eine unzutreffende Beweiswürdigung seitens des Einzelrichters und den Erlass eines unzulässigen Grundurteils. Es sei außer Acht geblieben, dass die Zeugin W. erklärt habe, der Schacht sei bis zum 21. Juni 2017 mit einer Metallplatte abgedeckt gewesen. Die Zeugenaussagen rechtfertigten es nicht, der Beklagten eine unzureichende Bauüberwachung anzulasten. Es sei nämlich auch zu berücksichtigen, dass der bis zum 21. Juni 2017 stehen gebliebene Abbruchrest des Schachtes das Eindringen von Wasser vermieden habe. Die Weisung zum vollständigen Abbruch des Schachtes habe die Klägerin erteilt, ohne Vorkehrungen zum Schutz des Archivmaterials getroffen zu haben, das auch nicht auf dem Boden gelagert hätte werden dürfen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Hannover vom 11. Dezember 2019, Az.: 14 O 247/18, aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Sache unter Aufhebung des vorgenannten Urteils zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Streithelferinnen der Klägerin beantragen - jede für sich -,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie bestreitet, dass die Zeugin W. die von der Beklagten angeführten Aussagen gemacht habe. Der Schacht sei nach dem 7. Juni 2017 nicht mit einer Metallplatte verschlossen gewesen. Der zunächst verbliebene Abbruchrest habe das Eindringen von Wasser nicht verhindert. Die Klägerin habe auch nicht die Weisung zum Abriss des restlichen Schachtes erteilt. Ein Mitverschulden sei ihr nicht anzulasten. Das Archivmaterial sei ordnungsgemäß in Rollregalen gelagert gewesen.
Die Streithelferinnen der Klägerin verteidigen das angefochtene Urteil und unterstützen das klägerische Vorbringen.
II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene und begründete, Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Der Einzelrichter der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover hat zu Recht der Klage dem Grund nach stattgegeben. Die Berufungsangriffe der Beklagten überzeugen nicht. Im...