Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegungsanforderung bei Klage wegen überlanger Dauer eines Strafverfahrens
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Anforderungen an eine Klage wegen überlanger Dauer eines Ermittlungs- und anschließenden gerichtlichen Strafverfahrens.
2. Schuldhafte Verstöße gegen die Vorgaben aus der StPO können regelmäßig nur in einem Verfahren wegen Amtshaftung geltend gemacht werden und führen daher nicht zu einer Erhöhung des gesetzlich vorgesehenen Entschädigungsbetrags i.S.d. § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG.
Normenkette
GVG §§ 198-199
Nachgehend
Tenor
Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 3.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.4.2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land zu 3/4, der Kläger zu 1/4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung durch das beklagte Land durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in nämlicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem beklagten Land Entschädigung wegen überlanger Dauer eines gegen ihn gerichteten Strafverfahrens.
Er wurde in einem Strafverfahren gegen Dritte am 4.7.2007 bei der Staatsanwaltschaft ... (Az.:...) zunächst zeugenschaftlich zu der Frage vernommen, wann er ein bestimmtes Gutachten über altersgerechtes Wohnen für die anderweitig verfolgten Personen gefertigt habe. Ausweislich eines Vermerks des zuständigen Staatsanwalts vom 24.10.2007 lag "dringender Verdacht" dafür vor, dass der Kläger in dieser Zeugenaussage unwahre Angaben gemacht haben könnte. Der Kläger hatte angegeben, das Gutachten habe er im Jahr 2002 in seinem Urlaub erstellt. Der Staatsanwalt entnahm jedoch den bei einer Durchsuchung aufgefundenen word-Dateiinformationen (Bd. IV, Bl. 74 R der Strafakten), die Erstellung habe erst im Jahr 2007 stattgefunden. Daraufhin ließ der Staatsanwalt den Kläger - entgegen den gesetzlichen Vorgaben - am 28.11.2007 richterlich als Zeuge zur Erzwingung einer wahrheitsgemäßen Aussage vernehmen und ließ ihn vereidigen.
Erst mehr als zwei Jahre später, am 4.11.2009, ließ der Staatsanwalt den Kläger als Beschuldigten wegen des Verdachts der versuchten Strafvereitelung und des Meineides förmlich eintragen und hörte ihn zu den Vorwürfen an. Die Staatsanwaltschaft erhob am 5.2.2010 zum AG ... Anklage, die am 11.2.2010 dem Kläger mit Erklärungsfrist zugestellt worden ist.
Unter dem 9.4.2010 gab der Kläger eine umfassende Einlassung ab. Nachdem die Staatsanwaltschaft hierzu am 29.4.2010 Stellung genommen hatte, beantragte der damalige Verteidiger des Klägers am 12.5.2010, die Einlassungsfrist bis Juni 2010 zu verlängern.
Eine Einlassung ist jedoch nicht abgegeben worden. Nennenswerte Verfahrensförderung hat in der Folgezeit nicht stattgefunden. Das AG hat am 23.6.2011 die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt und dem Kläger mit Schreiben vom 25.8.2011, dem Kläger am 1.9.2011 zugegangen, mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft die Nichteröffnung nicht angefochten habe. Der Beschluss ist am 1.7.2011 rechtskräftig geworden.
Der Kläger behauptet, ihm sei von Seiten des zuständigen Staatsanwalts bereits am 28.11.2007 mitgeteilt worden, dass gegen ihn wegen Meineides ermittelt werde.
Der Kläger beantragt, das beklagte Land zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, wobei der genaue Betrag in das Ermessen des Gerichts gestellt werde und hierbei von einem Betrag nicht unter 4.000 EUR ausgegangen werden solle.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, im vorliegenden Verfahren seien auch materiell-rechtliche Ansprüche aufgrund des Fehlens eines nationalen Rechtsbehelfs und damit verbundener Verletzung von Art. 13 MRK mitabzugelten.
Wegen des weiter gehenden Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die beigezogenen Strafakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und im ausgesprochenen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet. Dem Kläger steht ein Anspruch gem. § 199 i.V.m. § 198 GVG wegen überlanger Dauer des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens i.H.v. 3.000 EUR zu.
1. Dass das Verfahren bereits vor In-Kraft-Treten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren abgeschlossen war, steht einer Anwendung der Vorschriften nicht entgegen. Die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des Art. 23 sind erfüllt.
Das dem Klageanspruch zugrunde liegende Strafverfahren ist weniger als sechs Monate vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes...