Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Urteil vom 07.04.2005; Aktenzeichen 4 O 399/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 29.11.2007; Aktenzeichen IX ZR 165/05)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Verden vom 7.4.2005 geändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreit zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert und Beschwer der Klägerin: 159.367,93 EUR

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin hatte der "m. AG b.-l. & m." (Schuldnerin), die Werbekonzepte entwarf, Kredite gewährt. Der Beklagte ist Insolvenzverwalter der Schuldnerin. Zum Geschäft der Schuldnerin gehörte es, Merchandising-Produkte mit dem jeweiligen Logo des Kunden herstellen zu lassen und an die Kunden zu liefern. Zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche trat die Schuldnerin mit Vertrag vom 12./14.11.2001 sämtliche bestehenden und künftigen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen gegen ihre Schuldner mit den Anfangsbuchstaben A-Z an die Klägerin ab.

Am 28.6.2002 kündigte die Klägerin das Kreditverhältnis, nachdem sie von der drohenden Insolvenz der Schuldnerin erfahren hatte.

Am 3.7.2002 veranlasste die Schuldnerin die Auslieferung von Merchandising-Produkten. Wegen der Lieferungen erstellte sie am selben Tag Rechnungen über insgesamt 113.338,30 EUR. Aufgrund eines Insolvenzantrags am 4.7.2002 wurde der Beklagte am 5.7.2002 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, und angeordnet, dass Verfügungen der Schuldnerin seiner Zustimmung bedurften. Zwischen dem 3. und 10.7.2002 lieferte die Schuldnerin weitere Merchandising-Produkte an Kunden aus, wofür sie, jeweils noch am Tag der Auslieferung, Rechnungen über insgesamt 104.612,30 EUR erstellte. Von den Rechnungen über insgesamt 113.338,30 EUR sind 106.447,90 EUR in die Masse gelangt. Von dieser Summe hat der Beklagte 344 EUR an die Klägerin ausgezahlt. Von den Rechnungen über 104.612,30 EUR sind 69.025,69 EUR zur Masse gelangt.

Am 2.8.2002 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Klägerin hat mit der Klage, gestützt auf den Globalzessionsvertrag vom 12./14.11.2001, vom Insolvenzverwalter Zahlung der noch unterscheidbar in der Insolvenzmasse vorhandenen Beträge von 106.103,90 EUR und 69.025,69 EUR abzgl. 15.761,66 EUR Feststellungs- und Verwertungskosten geltend gemacht.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 159.367,93 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.9.2002 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat geltend gemacht, die Auslieferung der Waren an die Kunden der Schuldnerin sei anfechtbar nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO und § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

Das LG hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Er wiederholt und vertieft das erstinstanzliche Vorbringen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist begründet.

I. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch steht der Klägerin nicht zu.

1. Die Klägerin hat zwar aufgrund der Vorausabtretung vom 12./14.11.2001 die Zahlungsansprüche gegen die Kunden der Schuldnerin zunächst wirksam erworben.

Entstand im Fall einer Vorausabtretung die abgetretene Forderung vor der Insolvenzeröffnung, so ist der Rechtserwerb wirksam (Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 6. Aufl., Rz. 6.193). So ist es hier. Die abgetretenen Forderungen entstanden, einerlei ob man auf die Verträge zwischen der Schuldnerin und ihren Kunden Werkvertragsrecht oder Kaufrecht anwendet, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Der Abschluss der Verträge zwischen der Schuldnerin und ihren Kunden erfolgte unstreitig vor dem 28.6.2002, also vor Insolvenzeröffnung am 2.8.2002.

2. Der Rechtserwerb der Klägerin ist aber anfechtbar nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Der Beklagte kann deshalb die Erfüllung der Zahlungspflicht verweigern.

a) Anfechtbare Rechtshandlung ist die Auslieferung der Waren an die Kunden der Schuldnerin. Unter dem Begriff Rechtshandlung ist jede bewusste Willenbetätigung zu verstehen, die eine rechtliche Wirkung auslöst (Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 129 Rz. 7). Die Auslieferung von Waren kann deshalb anfechtbar sein.

b) Diese Rechtshandlung ermöglichte der Klägerin eine Sicherung. Zwar waren die an die Klägerin abgetretenen Forderungen, wie gesagt, bereits mit Abschluss der Verträge zwischen der Schuldnerin und den Kunden entstanden. Erst mit der Auslieferung der Waren (und deren Abnahme) wurde der Vergütungsanspruch aber fällig bzw. wurden die Leistungsverweigerungsrechte der Kunden beseitigt. Durch die Auslieferung wurden die Forderungen gegen die Kunden also erst werthaltig gemacht (vgl. Kirchhof, FS für Uhlenbruck, S. 269, 277).

Der Umstand, dass die Auslieferung der Waren an die Kunden der Schuldnerin erfo...

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