Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 21.11.2018; Aktenzeichen 2 O 128/18) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 21.11.2018 geändert und wie folgt neu gefasst:
1. a) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.291,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 29.05.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des VW T5 Multivan mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ...,
b) dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Nutzungen (§ 346 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 100 BGB) er aus dem Nettokaufpreis in Höhe von 14.311,00 EUR, den er für das unter 1. a) bezeichnete Fahrzeug empfangen hat, gezogen hat, und
c) außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 26.06.2018 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme des unter Ziffer 1. a) bezeichneten Fahrzeugs in Verzug befindet.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der Kosten der Streithilfe, die die Streithelferin selbst zu tragen hat.
III. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Streitwert für das Berufungsverfahren: Gebührenstufe bis 16.000,00 EUR.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufvertrags betreffend einen VW Multivan T 5.
Der Kläger, der seinerzeit als selbstständiger Tierarzt tätig war, erwarb von dem Beklagten, einem gewerblichen Händler, gemäß "Verbindliche Bestellung" vom 26.11.2015 einen VW Multivan T 5, EZ 10.03.2005, Kilometerstand/Gesamtfahrleistung 123.686 km (Bl. 7 der Beiakte 10 H 5/16 AG Achim). Im Vertrag ist unter anderem eine Gewährleistungsfrist von einem Jahr (neben einer zusätzlichen sogenannten Car-Garantie) genannt.
Aufgrund von Startproblemen des Motors ließ der Kläger das Fahrzeug untersuchen. Hierbei trat der Verdacht einer tatsächlich höheren Laufleistung als nach dem Tachostand abgelesen auf. Der Kläger strengte daraufhin ein selbstständiges Beweisverfahren an.
Der Beweisgutachter Dipl.-Ing. M. kam gemäß Gutachten vom 06.11.2017 sowie Ergänzungsgutachten vom 07.02.2018 zu dem Ergebnis, das streitgegenständliche Fahrzeug weise gegenüber dem Tachostand eine Mehrlaufleistung zwischen 36.000 km und 54.000 km auf. Eine Mehrlaufleistung in Höhe von 25.700 km sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Eine darüber hinausgehende Mehrlaufleistung, wie bereits ausgeführt in der Größenordnung von 36.000 - 54.000 km, sei mit höherer Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
Der Kläger hat aufgrund dieser Feststellungen des Beweisgutachters schließlich den Rücktritt von dem Gebrauchtwagenkaufvertrag erklärt. Er steht auf dem Standpunkt, bei der abweichenden Kilometerleistung handele es sich um einen Sachmangel, der nicht nachbesserungsfähig sei, so dass er ohne Durchlaufen der Nacherfüllungsphase zum sofortigen Rücktritt berechtigt gewesen sei. Der Kläger verlangt daher die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer von ihm selbst angenommenen Nutzungsentschädigung von 1.400 EUR. Ferner verlangt er von der Beklagten Auskunft über die von ihr mit Hilfe des Kaufpreises gezogenen Nutzungen.
Der Beklagte bestreitet in beiden Instanzen das tatsächliche Vorliegen einer höheren Laufleistung als im Tacho angezeigt. Er behauptet, es sei üblich, dass bei einem Tausch des Tachos in einer Vertragswerkstatt der zum Zeitpunkt des Tausches aktuelle Kilometerstand auf dem neuen Instrument entsprechend eingestellt werde. Die Schlussfolgerung des Beweisgutachters, dass die Laufleistung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mindestens um 25.700 km höher sei, sei daher unzutreffend.
Im Übrigen vertritt die Beklagte die Auffassung, dass die in Rede stehende Mehrlaufleistung nicht so groß sei, dass deshalb ein Sachmangel im Rechtsinne angenommen werden könne. Wer einen VW Multivan als Gebrauchtwagen erwerbe, müsse vielmehr damit rechnen, dass dieser eine jährliche Laufleistung von 15.000 bis 20.000 km absolviert habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil es hinsichtlich der Laufleistung an einer Beschaffenheitsvereinbarung fehle. Durch die Angabe im Kaufvertrag "laut Angabe des Vorbesitzers" sei deutlich gemacht worden, dass die Beklagte über keine weitergehenden Erkenntnisse verfüge und für die tatsächliche Fahrleistung vertraglich nicht einstehen wolle. Die tatsächlich getroffene Abrede, dass die Fahrleistung nicht vertraglich bindend vereinbart worden sei, würde der Regelung in § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB vorgehen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine Ansprüche in vollem Umfang weiterverfolgt. Das Landgericht habe zwar zutreffend angenommen, dass es an einer Beschaffenheitsvereinbarung fehle. Gleichwohl könne jeder Käufer davon ausgehen, dass die vom Tacho abgelesene Kilometerleistung in etwa der Gesamtfa...