Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweis von Ungezieferbefall in der Urlaubsunterkunft; Minderung des Reisepreises wegen Insektenbissen; Anforderungen an den Reiseveranstalter zur Vorsorge gegen Bettwanzen
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Anforderungen an den Beweis von Ungezieferbefall in der Urlaubsunterkunft.
2. Anhaltende Gesundheitsbeschwerden infolge von Insektenbissen rechtfertigen eine Minderung des Reisepreises auch für den Zeitraum nach einem Umzug in eine saubere Unterkunft.
3. Zur Widerlegung der Verschuldensvermutung gem. § 651f Abs. 1 Halbs. 2 BGB genügt es nicht, dass der Reiseveranstalter nur die Möglichkeit in den Raum stellt, die Reisenden selbst oder die unmittelbar vor ihnen dort untergebrachten Gäste hätten das Ungeziefer in die Urlaubsunterkunft eingeschleppt. Der Reiseveranstalter muss vielmehr den Vollbeweis für diese Behauptung führen.
4. Im Übrigen muss der Reiseveranstalter zur Widerlegung der Verschuldensvermutung darlegen und beweisen, dass und wie in dem betroffenen Hotel die Sauberkeit in einem solchen Maße hergestellt wurde, dass Bettwanzen und vergleichbare Insekten möglichst schlechte Lebensbedingungen finden. Zur Vermeidung eines Befalls mit Bettwanzen ist zu erwarten, dass ein Hotelier das Zimmerpersonal anweist, bei jedem Bettwäschewechsel nach typischen Spuren von Bettwanzen zu suchen. Außerdem muss er das Personal darin schulen, wie Bettwanzen aussehen und welche typischen Spuren sie hinterlassen.
Normenkette
BGB §§ 651c, 651d, 651f Abs. 1 Hs. 2
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 31.10.2014; Aktenzeichen 14 O 123/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das am 31.10.2014 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des LG Hannover unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1 1.969,43 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2012 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 2 1.050 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2012 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 als Mitgläubiger 219 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2012 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die im ersten Rechtszug angefallenen gerichtlichen Kosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen der Kläger zu 1 zu 38 %, die Klägerin zu 2 zu 11 % und die Beklagte zu 51 %. Die der Streithelferin der Beklagten entstandenen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 1 ebenfalls zu 38 %, die Klägerin zu 2 zu 11 % und die Streithelferin selbst zu 51 %. Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits erster Instanz des Klägers zu 1 tragen dieser selbst zu 54 % und die Beklagte zu 46 %. Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits erster Instanz der Klägerin zu 2 tragen diese selbst zu 37 % und die Beklagte zu 63 %.
Die im zweiten Rechtszug angefallenen gerichtlichen Kosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen der Kläger zu 1 zu 41 %, die Klägerin zu 2 zu 12 % und die Beklagte zu 47 %. Die der Streithelferin der Beklagten im zweiten Rechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten tragen der Kläger zu 1 ebenfalls zu 41 %, die Klägerin zu 2 zu 12 % sowie die Streithelferin selbst zu 47 %. Die im zweiten Rechtszug dem Kläger zu 1 entstandenen außergerichtlichen Kosten tragen dieser selbst zu 60 % und die Beklagte zu 40 %. Die im zweiten Rechtszug der Klägerin zu 2 entstandenen außergerichtlichen Kosten tragen diese selbst zu 37 % und die Beklagte zu 63 %.
6. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
7. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger verlangen von der Beklagten wegen Ungeziefers in ihrem Hotelzimmer die vollständige Minderung des Reisepreises sowie immateriellen und materiellen Schadensersatz.
Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG hat dem Kläger zu 1 einen Rückzahlungsanspruch wegen Minderung des Reisepreises i.H.v. 500 EUR zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme (Vernehmung des Sohnes der Kläger als Zeuge, Anhörung der Kläger, Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens) stehe zu seiner Überzeugung fest, dass sich in dem ersten von den Klägern bewohnten Hotelzimmer Insekten (wahrscheinlich Bettwanzen) in den Betten befanden. Da den Klägern nach drei Tagen jedoch ein anderes, nicht zu beanstandendes Hotelzimmer zugewiesen worden sei und alle übrigen Leistungsanteile der Beklagten mangelfrei gewesen seien, beziehe sich die Minderung nur auf das erste Drittel der U...