Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen schuld- und erbrechtlichen Ansprüchen
Leitsatz (amtlich)
Geht jemand die Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung ein, die im Erbrecht ihre Grundlage hat, hat dies nicht zur Folge, dass die Zahlungsverpflichtung, welche ein Erblasser als Gegenleistung dafür eingegangen ist, im Erbrecht gründet; sie ist rein schuldrechtlicher Natur (§ 241 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Normenkette
BGB § 241 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 14.12.2006; Aktenzeichen 5 O 266/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.12.2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des LG Lüneburg abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.564,60 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerinnen begehren Abfindung für einen Erbverzicht.
Sie, I.K. und die Beklagte sind die vier Töchter des am 29.11.1982 vorverstorbenen Bäckermeisters H.G. und dessen am 25.11.2001 verstorbener Ehefrau E.G. Die Beklagte ist die Erbin der Erblasser aufgrund deren gemeinschaftlichen Testaments vom 11.8.1977. Die Klägerinnen und I.K. sind durch dieses Testament enterbt worden. Aufgrund notariellen Vertrags vom selben Tage verpflichteten die Erblasser sich als Gesamtschuldner, bis zum 31.12.1978 je 25.000 DM an ihre drei enterbten Töchter zu zahlen. Unter der Bedingung der Erfüllung dieses Versprechens erklärten die Klägerinnen und I.K. sich ihren Eltern gegenüber wegen ihrer künftigen gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsansprüche für abgefunden und verzichteten auf diese. Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass I.K. 25.000 DM in der Folge erhalten hat.
Die Klägerinnen haben mit der am 22.8.2006 erhobenen Klage Zahlung von je 25.000 DM nebst Zinsen begehrt. Die Beklagte hat Abweisung der Klage erstrebt. Sie hat behauptet, ihr Vater habe die Ansprüche erfüllt. Außerdem hat sie die Einrede der Verjährung erhoben.
Das LG hat die Zeugin K. zur Frage der Erfüllung vernommen. Mit dem angefochtenen Urteil hat es der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, aufgrund der Beweisaufnahme sei nicht bewiesen, dass die Erblasser ihre Verpflichtungen ggü. den Klägerinnen erfüllt hätten; deren Ansprüche seien nicht verjährt, weil es sich um erbrechtliche Ansprüche handele. Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.
II. Die Berufung ist begründet.
1. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Zahlung von je 25.000 DM aus dem Erbverzichtsvertrag, weil die Beklagte von dem diesem zugrunde liegenden Grundgeschäft (Verpflichtung der Klägerinnen zum Erb- und Pflichtteilsverzicht gegen Verpflichtung der Erblasser zur Zahlung der Abfindungen) wirksam am 10.7.2007 den Rücktritt erklärt hat. Die Geschäftsgrundlage für diesen Vertrag ist entfallen, ohne dass eine Anpassung an die veränderten Umstände möglich wäre (vgl. § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB). Der durch die Zahlung der Abfindung aufschiebend bedingte Erb- und Pflichtteilsverzicht konnte zwar nach deren Zahlung auch nach Eintritt der Erbfälle noch wirksam werden, er ist aber aus der maßgeblichen Sicht der Erblasser, zu deren Gunsten er erklärt wurde, inzwischen wirtschaftlich sinnlos geworden. Die Beklagte konnte während unverjährter Zeit der Pflichtteilsansprüche der Klägerinnen diesen nur durch Zahlung der jeweils 25.000 DM entgehen. Diese Zahlung hätte zum Wegfall der mit den Erbfällen auflösend bedingt durch die Zahlung der Abfindungen entstandenen Pflichtteilsansprüche der Klägerinnen geführt, die inzwischen verjährt sind, so dass die Erblasser den Verzicht der Klägerinnen nicht mehr benötigen, um sich von der Belastung ihrer zu vererbenden Vermögen mit dem Pflichtteil der Klägerinnen zu befreien. Die Tatsache, dass die Beklagte den Pflichtteilsverzicht der Klägerinnen jederzeit durch Zahlung der Abfindungen wirksam werden lassen konnte, ändert nichts daran, dass die Pflichtteilsansprüche der Klägerinnen mit dem Erbfall entstanden und deren Verjährung lief, sobald die Klägerinnen nach dem Tode der Erblasser Kenntnis von dem Testament vom 11.8.1977 hatten, durch das sie enterbt waren.
2. Unabhängig davon ist ein Anspruch der Klägerinnen auf Zahlung von je 25.000 DM verjährt.
a) Es handelt sich bei dem Anspruch nicht um einen erbrechtlichen, sondern um einen schuldrechtlichen. Die Tatsache, dass die Klägerinnen die Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung eingegangen sind, die im Erbrecht ihre Grundlage hat, bedeutet nicht, dass die Zahlungsverpflichtung, welche die Erblasser als Gegenleistung dafür eingegangen sind, im Erbrecht ...