Leitsatz (amtlich)
1. Die Verpflichtung zum Vorbehalt einer Vertragsstrafe bei der Abnahme ist nur durch Individualvereinbarung, nicht aber durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vollständig abdingbar.
2. Der Auftragnehmer kann sich - auch bei fehlender Behinderungsanzeige - auf den objektiven Behinderungstatbestand zum Ausschluss seines Verschuldens berufen mit der Folge, dass der Verzug gemäß § 286 Abs. 4 BGB entfällt.
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 02.02.2016; Aktenzeichen 10 O 93/15) |
BGH (Aktenzeichen VII ZR 286/16) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten zu 2 gegen das Urteil des Vorsitzenden der 10. Zivilkammer - 1. Kammer für Handelssachen - des LG Hildesheim vom 02.02.2016 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Das angefochtene landgerichtliche Urteil sowie das vorliegende Berufungsurteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
3. Streitwert für das Berufungsverfahren: 41.000,00 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt Restwerklohn in Höhe von unstreitig 41.000,00 EUR aus dem Bauvorhaben "L. P../1. u. 2. BA - Seniorengerechtes Wohnen V.-Straße 2, A. Nr. 3a/Rohbauarbeiten" gem. Bestellschreiben vom 14.12.2012 (Anlage K1 im Leitzordner). Die Geltung der VOB/B war u.a. vereinbart.
Bauherrin war die L. P. GmbH,... Diese hatte die Beklagte zu 2 als Generalunternehmerin beauftragt. Diese wiederum beauftragte die Klägerin als Subunternehmerin mit der Ausführung der Rohbauarbeiten. Die drei genannten Gesellschaften werden jeweils von Dipl. Ing. U. M.,..., als Geschäftsführer vertreten.
Die Abnahme der Arbeiten der Klägerin erfolgte gem. Abnahmeprotokoll vom 19.12.2013 (Anlage K5) unter Beteiligung von Dipl. Ing. U. M. für die Auftraggeber- bzw. Bauherrenseite. Anschließend kam es zu Unstimmigkeiten bei der Abrechnung über die Höhe des Restwerklohnanspruchs der Klägerin. Dies führte zu der Vergleichsvereinbarung vom 21.05.2015, mit der der Streit beigelegt wurde, bis auf die im vorliegenden Rechtsstreit streitige Vertragsstrafe für den ersten und den zweiten Bauabschnitt wegen Überschreitens des Fertigstellungstermins in Höhe von insgesamt (26.000,00 EUR + 15.000,00 EUR =) 41.000,00 EUR (Anlage K8).
Die vorliegende Restwerklohnklage war zunächst gegen die Beklagte zu 1 gerichtet. Nach Hinweis der Beklagten zu 1, nicht sie, sondern die von demselben Geschäftsführer vertretene Beklagte zu 2 sei Auftraggeberin, hat die Klägerin die Klage auf die Beklagte zu 2 (nachfolgend kurz: die Beklagte) erweitert und hinsichtlich der Beklagten zu 1 wieder zurückgenommen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie der vom LG getroffenen Feststellungen wird auf das Urteil des LG Bezug genommen (Bl. 100 ff. d.A.). Das LG hat der Klage in der Hauptsache in vollem Umfang stattgegeben, weil ein Vertragsstrafenanspruch durch die Beklagte nicht hinreichend dargetan worden sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Vertragsstrafenanspruch weiter verfolgt. Im Übrigen bestreitet die Beklagte auch erstmalig die Fälligkeit des Restwerklohnanspruchs, weil die Schlussrechnungen für den 1. und den 2. Bauabschnitt fälschlich nicht an sie, die Beklagte (zu 2), sondern an die aus dem Rechtsstreit ausgeschiedene Beklagte zu 1 gerichtet sei.
Die Beklagte beantragt, das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin legt vorsorglich eine erneute, nunmehr auf die Beklagte (zu 2) ausgestellte Schlussrechnung für den 1. u. den 2. Bauabschnitt vor (Bl. 191 f. d.A.). Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag, wonach sie aufgrund verschiedener Behinderungen bei der Bauausführung sowie mangels Mahnung der Beklagten nicht in Verzug geraten sei.
Wegen des wechselseitigen Berufungsvorbringens im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten 04.05.2016 (Bl. 131 ff. d.A.) und ihren weiteren Schriftsatz vom 28.09.2016 (Bl. 203 f. d.A.) sowie auf die Berufungserwiderung der Klägerin vom 12.07.2016 Bezug genommen (Bl. 178 ff. d.A.).
Die Sach- und Rechtslage ist mit den Parteien und ihren Vertretern erörtert und der Geschäftsführer der Beklagten zu 2 persönlich angehört worden. Insoweit auf die Sitzungsniederschrift vom 29.09.2016 Bezug genommen (Bl. 205 f. d.A.).
II. Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
Die Beklagte schuldet den - nach Grund und Höhe bereits vorprozessual unstreitig gestellten - Restwerklohn von 41.000,00 EUR. Dem steht kein Anspruch der Beklagten auf eine Vertragsstrafe in Höhe von 41.000,00 EUR entgegen. Denn die Vertragsstrafenregelung ist zwar wirksam zustande gekommen. Jedoch hat die Beklagte die tatsächliche Verwirkung der Vertragsstrafe nicht hinreichend dargetan, wie das LG zutreffend ausgeführt hat. Die Aufrechnung mit dem Vertragsstra...