Entscheidungsstichwort (Thema)
Konzessionsvertrag über Ausbau und Betrieb eines Autobahnteilstücks: Anspruch des Konzessionsnehmers auf Vertragsanpassung bei Rückgang des mautpflichtigen Verkehrs aufgrund einer Finanz- und Wirtschaftskrise
Leitsatz (amtlich)
1.Für eine Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB ist grundsätzlich insoweit kein Raum, als es sich dabei um Erwartungen und Umstände handelt, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen sollten. Eine solche vertragliche Risikoverteilung bzw. Risikoübernahme - sei es ausdrücklich, konkludent oder aufgrund ergänzender Vertragsauslegung - schließt für den Betroffenen regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (BGH, 21. September 2005, XII ZR 66/03).
2. Der Konzessionsnehmer kann daher nicht die Vertragsanpassung bei Rückgang des mautpflichtigen Verkehrs auf dem von ihm ausgebauten und betriebenen Autobahnteilstück verlangen, wenn er im Konzessionsvertrag das "Verkehrsmengenrisiko" in dem Umfang übernommen hat, wie es sich nach Vertragsschluss verwirklicht hat.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 307, 313 Abs. 1; VOB/A § 9 Nr. 2; ZPO §§ 256, 259
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 9 O 106/17) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 7. September 2018 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt die Anpassung eines zwischen den Parteien geschlossenen Konzessionsvertrages im Zusammenhang mit dem privat finanzierten Ausbau und Betrieb eines Abschnitts der Bundesautobahn A 1 und die daraus folgende Zahlung einer Mehrvergütung sowie von Schadensersatz.
Die Beklagte ist Eigentümerin des Bundesfernstraßennetzes, zu dem auch die Bundesautobahn A 1 zählt. Die Klägerin ist eine Projektgesellschaft, deren Gesellschafter das Bauunternehmen J. B. GmbH & Co. KG aus P. und das britische Unternehmen J. L. I. Ltd. sind. Die Geschäftstätigkeit der Klägerin beschränkt sich allein auf die Erfüllung der Pflichten aus dem hier streitgegenständlichen Vertrag und sie verfügt über keine weiteren Einnahmequellen.
Dem Vertragsschluss zwischen den Parteien ging ein europaweites Vergabeverfahren nach Maßgabe der VOB/A voraus. Die ausgeschriebene Leistung - Planung, Bau/Ausbau, Erhaltung, Betrieb und Finanzierung eines 72,5 km langen Streckenabschnitts der A 1 zwischen Hamburg und Bremen - sollte dabei als ÖPP-Projekt (ÖPP = öffentlich-private Partnerschaft), in Form eines sogenannten A-Modell-Projekts (eines von vier Pilotprojekten in den Jahren 2006 bis 2008) ausgeführt werden. Das A-Modell-Projekt sieht vor, dass der Staat die Ausführungsplanung, den Bau, die Erhaltung, den Betrieb und die Finanzierung von Streckenabschnitten an private Auftragnehmer über den Zeitraum von 30 Jahren überträgt. Der Vertragspartner erhält hierfür keine fest vereinbarte Vergütung, sondern die Einnahmen aus der LKW-Maut (oder einen Teil davon) sowie gegebenenfalls - je nach Ergebnis des konkreten Vergabeverfahrens und nach Inhalt der Angebote - eine Anschubfinanzierung aus dem Straßenbauhaushalt.
Im Rahmen des Vergabeverfahrens gab die Beklagte den Bietern in einem "Informationsmemorandum" (Anlage K 5) einen Überblick über das Projekt und den Ablauf des Vergabeverfahrens. Danach wurden nach einem Teilnahmewettbewerb vier Bewerber ausgewählt und zur Abgabe eines Angebots aufgefordert (Anlage K 5, Ziff. 10.2.1). In der daran anschließenden Verhandlungsphase wurden die Angebote geprüft und die bevorzugten zwei Bieter ermittelt. Diese wurden nach Durchführung getrennter Verhandlungsrunden zur Abgabe letztgültiger Angebote (Best and final offer - BAFO) aufgefordert, auf deren Grundlage über den Zuschlag entschieden wurde (Anlage K 5, Ziff. 10.2.4).
In dem Informationsmemorandum wies die Beklagte darauf hin, dass das Verkehrsmengenrisiko vom Vertragspartner zu tragen sei (Anlage K 5, Ziffer 8.1 sowie Tabelle unter Ziff. 9 auf S. 31). Zur Risikoverteilung im Allgemeinen führte die Beklagte unter Ziff. 9 aus, dass die endgültige Risikoverteilung Ergebnis des Verhandlungsverfahrens sein werde. Die Bewerber wurden deshalb aufgefordert, in ihren Angeboten eine von den Vergabeunterlagen abweichende Risikoverteilung kenntlich zu machen und die damit verbundenen Auswirkungen zu beschreiben und zu bepreisen. Den Bietern wurde aufgegeben (Ziffer 11.2.5), einen Finanzberater und einen Verkehrsprognostiker zu mandatieren. Gemäß der Angebotsaufforderung aus den Vergabeunterlagen Teil I, Kapitel 5 (Anlage K 6, Ziffer 2.13...