Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Pflicht des gerichtlichen Bausachverständigen, zum Zwecke der Gutachtenerstellung eine Bauteilöffnung vorzunehmen.
Leitsatz (amtlich)
Grundsätzlich ist das Gericht nicht befugt, einen Bausachverständigen gemäß § 404a Abs. 1 ZPO zu einer Bauteilöffnung zu verpflichten. Ob das im Einzelfall anders beurteilt werden kann, hängt vom Ergebnis einer Interessenabwägung ab.
Normenkette
ZPO §§ 404a, 407
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 28.06.2018; Aktenzeichen 6 O 64/14) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 28. Juni 2018 verkündete Teilanerkenntnis- und Endurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen, soweit der Senat eine Verpflichtung der Bausachverständigen zur Bauteilöffnung verneint hat.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 320.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit einem Gebäudeschaden.
Die Parteien verbindet ein Wohngebäudeversicherungsvertrag betreffend das unter der postalischen Anschrift F. in L. belegene Einfamilienhaus zum gleitenden Neuwert. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Verbundene Wohngebäudeversicherung (VGB 2002), die Besonderen Bedingungen für die Wohngebäudeversicherung (BBW) sowie die Besonderen Bedingungen für die Versicherung weiterer Elementarschäden in der Wohngebäudeversicherung (BWE 2002) zugrunde. Hinsichtlich des Inhalts der VGB 2002 wird auf die die Anlage B 1, hinsichtlich des Inhalts der BBW wird auf die Anlage B 2 und hinsichtlich der BWE 2002 wird auf die Anlage B 3 Bezug genommen (sämtlich im Anlagenband Beklagte).
Am 2. Juni 2013 kam es im versicherten Gebäude zu einem Hochwasserschaden.
Die Klägerin hat behauptet, dass das Gebäude durch das Hochwasser und die hierbei eingetretenen Schäden am Fundament zerstört worden sei, sodass ihr ein Anspruch auf die vollen Wiederherstellungskosten gemäß § 27 Ziffer 1 a) VGB 2002 zustehe. Auf dieser Grundlage belaufe sich der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf 531.360,00 EUR. Die Beklagte hat demgegenüber behauptet, dass das Gebäude durch das Hochwasser nur beschädigt worden sei. Deshalb könne die Klägerin nur Erstattung der Reparaturkosten verlangen.
Mit Urteil vom 20. August 2014 hat das Landgericht die auf Feststellung einer entsprechenden Leistungspflicht gerichtete Klage abgewiesen (Bl. 79 - 84 d. A.). Die Klage sei unzulässig, weil angesichts der Möglichkeit einer Leistungsklage kein Feststellungsinteresse bestehe. Der Senat hat seinerseits mit Urteil vom 19. März 2015 (Bl. 184 - 193 d. A.) das landgerichtliche Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur abermaligen Verhandlung und Durchführung einer Beweisaufnahme an das Landgericht zurückverwiesen.
Nach Zurückverweisung des Rechtsstreits hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, dass bei dem Versicherungsfall auch ihre Einbauküche zerstört worden sei und die Beklagte dementsprechend auch insoweit zur Zahlung verpflichtet sei.
Im Anschluss hat die Klägerin beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die durch das Hochwasser am 2. Juni 2013 an dem versicherten Gebäude "F. in L." entstandenen Schäden eine bedingungsgemäße Entschädigung in Höhe der ortsüblichen Wiederherstellungskosten (einschließlich Architektengebühren sowie sonstiger Konstruktions- und Planungskosten) unter Anrechnung der Restwerte zu leisten,
hilfsweise
a) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die durch das versicherte Ereignis Hochwasser am 2./3. Juni 2013 zerstörte bzw. beschädigte Küche bedingungsgemäß zu ersetzen,
b) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin das durch das versicherte Ereignis Hochwasser am 2./3. Juni 2013 zerstörte bzw. beschädigte Gebäude bedingungsgemäß zu ersetzen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Versicherungsleistungen bedingungsgemäß zu verzinsen,
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin durch die verzögerte Regulierung eingetretene Schäden zu ersetzen.
Die Beklagte hat den Antrag zu 2 anerkannt. Den Hilfsantrag zu 1 b) hat sie unter der Bedingung anerkannt, dass die Klage insoweit zulässig ist.
Im Übrigen hat sie beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Haus sei nicht zerstört, sondern durch das Hochwasser lediglich beschädigt worden. Auf die Reparaturkosten habe sie einen Betrag in Höhe von 163.983,33 EUR (Restbetrag nach Abzug der Selbstbeteiligung) geleistet. Dies sei geschehen, nachdem die Klägerin der...