Leitsatz (amtlich)

1. Der Auffassung, dass der Anwendungsbereich des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor dem Hintergrund des Regelungsplans des Gesetzgebers teleologisch zu reduzieren sei, weil gemessen an der objektiv feststellbaren Regelungsabsicht eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes vorliege, die in der Weise zu lösen sei, dass Passivgeschäfte der Kreditinstitute, jedenfalls derjenige der Bausparkassen von der Anwendbarkeit auszunehmen seien, vermag der Senat sich nicht anzuschließen.

2. Das Kündigungsrecht aus § 488 Abs. 3 BGB steht einer Bausparkasse nur dann zu, wenn die Bausparsumme erreicht worden ist. Die Bausparsumme ist erreicht, wenn die Spareinlagen zuzüglich der hierauf zu zahlenden Zinsen den Betrag der Bausparsumme erreichen.

3. Knüpft die Fälligkeit des Anspruches auf Bonuszinsen ausschließlich an ein Verhalten des Bausparers, nicht aber an ein Verhalten der Bausparkasse an, unterläuft eine Bausparkasse ein dem Sparer vertraglich zugestandenes Initiativrecht, indem sie trotz Fehlens einer Willenserklärung oder eines vertraglich geregelten Fälligkeitstatbestands die Zinsen eigenmächtig dem Sparer aufdrängt.

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 23.12.2015; Aktenzeichen 3 O 67/15)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 23.12.2015 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Hannover unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels geändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien bestehende Bausparvertrag mit der Nr ... 06 über den 3.8.2015 hinaus fortbesteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 55 % und die Beklagte zu 45 % zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die vollstreckende Partei vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die bei der beklagten Bausparkasse geführten Bausparverträge mit der Nummer ... 04 sowie ... 06 über den 1.7.2015 bzw. den 3.8.2015 hinaus fortbestehen.

Zwischen den Parteien bestand ein Bausparvertrag mit der Nummer... L 04, dessen Bausparsumme am 3.11.1997 von 42.000,- DM auf 125.000,- DM erhöht wurde, wobei als neuer Vertragsbeginn der 31.10.1997 vereinbart wurde. Zudem wurde ein Tarifwechsel in den Tarif X durchgeführt. Der Bausparvertrag erhielt später die Nummer ... 04.

Nach der Präambel des Tarif X ist Bausparen zielgerichtetes Sparen, um für wohnungswirtschaftliche Verwendungen Darlehen zu erlangen, deren Verzinsung niedrig, von Anfang an fest vereinbart und von Zinsschwankungen am Kapitalmarkt unabhängig ist. Das Bausparguthaben ist nach § 3 Abs. 1 Tarif X mit einem Basiszins in Höhe von 2 % p.a. zu verzinsen. Verzichtet der Bausparer bei Annahme der Zuteilung des Vertrages auf das Bauspardarlehen, erhöht sich die Gesamtverzinsung des Bausparguthabens nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Tarif X unter den dort genannten Voraussetzungen rückwirkend ab Vertragsbeginn auf 3 %, 4 % oder 5 % p.a. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 Tarif X wird die Gesamtverzinsung auch bei einer Kündigung nach 7 Jahren und einem Guthaben von 7.000,- DM gewährt. In § 14 Tarif X ist ein jederzeitiges Kündigungsrecht des Bausparers hinsichtlich des Bausparvertrages vorgesehen. Ein Kündigungsrecht der Bausparkasse ist in den Tarif X nicht ausdrücklich geregelt. Die Voraussetzungen für die Zuteilung des Bausparvertrages sind in § 4 Tarif X geregelt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Tarif X Bezug genommen (Anlage K 2).

Die Zuteilungsreife des vorgenannten Bausparvertrages trat am 1.3.2004 ein. Dieses teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 18.12.2003 mit (Anlage B 4). Der Kläger nahm die Zuteilung nicht an. Mit Schreiben vom 18.12.2014 kündigte die Beklagte den Bausparvertrag auf der Grundlage von § 489 BGB bei einem Guthabenstand von 45.914,76 EUR mit einer Frist von sechs Monaten (Anlage K 3). Der Kläger widersprach der Kündigung. Die Beklagte hielt an ihrer Kündigung mit Schreiben vom 13.1.2015 fest (Anlage K 4).

Die Parteien sind darüber hinaus durch einen weiteren Bausparvertrag über eine Bausparsumme in Höhe von 41.925,83 EUR mit dem Tarif X miteinander verbunden (Nr ... 06). Dieser Bausparvertrag wurde am 1.10.2010 zugeteilt. Die Beklagte kündigte diesen Bausparvertrag mit Schreiben vom 23.4.2015 auf der Grundlage von § 488 Abs. 3 BGB zum 3.8.2015 bei einem Guthabenstand in Höhe von 36.863,80 EUR unter ergänzendem Hinweis darauf, dass der Kläger zum 31.12.2014 einen Bonusanspruch in Höhe von 7.241,72 EUR habe (Anlage K 6). Mit Schreiben vom 27.7.2015 rechnete die Beklagte diesen Bausparvertrag gegenüber dem Kläger ab (Anlage B 12) und übersandte dem Kläger mit separater Post zwei Verrechnungsscheck über einen Betrag in Höhe von insgesamt 43.628,81 EUR (41.925...

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