Leitsatz (amtlich)
1. Anders als bei einer Schlussrechnung ist bei einer Abschlagsrechnung die Klage auch aus einzelnen Positionen zumindest dann zulässig, wenn eine Schlussrechnung noch nicht gestellt ist.
2. Ist bereits vor Schlussrechnungsreife eine Abschlagsforderung eingeklagt worden, bleibt die Klage trotz Schlussrechnungsreife zulässig. Das Gebot der Abrechnungsklarheit fordert lediglich, dass nicht aus einer vorläufigen Leistungsaufstellung für ein vorläufiges Zahlungsbegehren und einer abschließenden Schlussrechnung mit dem Ziel der Durchsetzung einer Schlusszahlung zugleich vorgegangen wird.
Normenkette
BGB § 632a; VOB/B § 16 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 16.05.2007; Aktenzeichen 11 O 252/06) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18.4.2007 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Hannover in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16.5.2007 aufgehoben. Die Klage wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, soweit die Klägerin Mehrvergütungsansprüche wegen entstandener Mehrkosten für Zementverbrauch und Suspensionsrückfluss geltend macht, die darauf beruhen, dass die durchschnittliche Säulenhöhe der HDI-Sohle sich auf mehr als 1,55 m erhöht hat, weil der Anschluss des Randbereiches der Sohle an die Schlitzwände mittels Ausbildung einer Krümmung statt ursprünglich vorgesehener kurzer Abtreppung ausgeführt worden ist sowie die HDI-Sohle im sog. Zement-Zement-Verfahren und mit den in der ersten Ergänzung zur Zulassung im Einzelfall (Z.i.E.) vom 19.8.1999 (Anlage K 12) festgelegten Herstellparametern ausgeführt worden ist anstelle einer Ausführung entsprechend den Vorgaben der Z.i.E. vom 5.3.1999 (Anlage K 10).
Wegen des Streits über den Betrag der vorbezeichneten Ansprüche wird die Sache an das LG zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen, soweit der Senat die Zulässigkeit der Klage bejaht hat. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.583.278,75 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Klägerin war im März 1998 von der Beklagten mit Bauarbeiten zur Errichtung der Schleuse Uelzen II im Elbeseitenkanal beauftragt worden. Die Arbeiten wurden am 15.11.2006 abgenommen. Eine Schlussrechnung der Klägerin liegt bisher nicht vor. Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin Mehrkosten im Zuge der Erstellung der Baugrubensohle geltend, die sie der Beklagten in verschiedenen Abschlagsrechnungen in Rechnung gestellt hat. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Aufgrund Nachtragsangebots vom 12.5. und 18.6.1998, das auf einem im Ausschreibungsverfahren zunächst abgelehnten Nebenangebot der Klägerin aufbaute, wurde das im ursprünglich erteilten Auftrag auf der Basis der Ausschreibung der Beklagten (sog. Amtsentwurf) vorgesehene Verfahren zur Erstellung der Baugrubensohle (verankerte Unterwasserbetonsohle mit rückverankerter Baugrubenumschließung) dahingehend geändert, dass die Sohle nunmehr im sog. Düsenstrahlverfahren als HDI-Sohle unter Einpressen von Zementsuspension in den Baugrund mit Rückverankerung durch sog. Soil-Jet-GEWI-Pfähle und unter Ersetzung der Rückverankerung der Baugrubenumschließung durch eine Aussteifung innerhalb der Baugrube ausgeführt werden sollte. Für die HDI-Sohle wurde dabei ein Einheitspreis auf der Basis der Quadratmeterzahl der zu erstellenden Sohlfläche vereinbart. Vor Beginn der Arbeiten wurden Erprobungen durchgeführt, bei denen sich erhebliche Probleme wegen des vor Ort vorgefundenen Bodenaufbaus ergaben. Die Klägerin änderte deshalb das zur Erstellung der HDI-Sohle von ihr zunächst in Aussicht genommene Bohrverfahren mehrfach und entwickelte schließlich eine neue Verfahrensvariante, die erstmals im Zuge des streitgegenständlichen Bauvorhabens zur Anwendung gelangte. Zur weiteren Darstellung wird insoweit auf S. 21 f. der Berufungsbegründung (Bl. 657 f. d.A.) sowie S. 71-80 des Schriftsatzes der Klägerin vom 4.1.2007 (Bl. 310-319 d.A.) verwiesen. Dadurch und nach dem Vorbringen der Klägerin auch wegen eines geänderten Sohlenanschlusses an die Seitenwände der Baugrube (Wölbung statt Abtreppung) wurde gegenüber ihrer ursprünglichen, dem Nachtragsangebot zugrunde liegenden Kalkulation wesentlich mehr Zement verbraucht; außerdem entstanden Mehrkosten durch einen erhöhten Rückfluss der in den Boden eingepressten Zementsuspension mit der Folge höheren Entsorgungsaufwandes. Vergütungsansprüche hierfür (sowie für weitere, nicht in den vorliegenden Rechtsstreit einbezogene Folgekosten wie höheren Materialverschleiß, Personalmehraufwand, verlängerte Bauzeit u.Ä.) machte die Klägerin entsprechend dem Baufortschritt sukzessive zum Gegenstand mehrerer Abschlagsrechnungen und stellte sie der Beklagten dann unter Neuberechnung der Höhe zusammenfassend in der 92. Abschlagsrechnung vom 8.6.2006 (Anlage K 74) mit 8.324.970,40 EUR netto = 9.656.965,60 EUR brutto in Rechnung; alle Abschlagsrechnungen enthielten...