Leitsatz (amtlich)
1. Es kann im Einzelfall eine datenschutzrechtlich zulässige Zweckänderung darstellen, wenn ein Rechtsanwalt durch Akteneinsicht erlangte Daten von Insolvenzgläubigern nutzt, um diese auf ihre Rechtsschutzmöglichkeiten hinzuweisen, selbst wenn er damit auch Akquisezwecke verfolgt (Festhaltung Senat, Urteil vom 9. Januar 2024 - 4 U 1274/23 -, juris).
2. Personenbezogene Daten, die Informationen über das Anlageverhalten des Betroffenen enthalten, sind keine "hochsensiblen" Daten im Sinne der DSGVO.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 3 O 482/23) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Es ist beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 5.500,00 EUR festzusetzen.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
I. Der Kläger begehrt immateriellen Schadensersatz und Unterlassung aufgrund eines behaupteten Verstoßes der Beklagten gegen Datenschutzregeln (DSGVO) durch vermeintlich unzulässige Werbung.
Der Kläger ist Anleger der U... Unternehmensgruppe und zeichnete ein Nachrangdarlehen der U... Energie Festzins III GmbH & Co KG, über die mit Beschluss vom 01.09.2021 das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Leipzig das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. J... W..., ..., zum Insolvenzverwalter bestellt hat.
Die Beklagte ist eine Rechtsanwaltskanzlei und vertritt eine Reihe von anderen U...-Anlegern. Die von der Beklagten vertretenen Anlieger wünschten für den weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens eine Kontaktaufnahme mit anderen Anlegern. Im Zuge dieses Verlangens wurde mit dem Insolvenzverwalter ein Vergleich - Anlage B1 - geschlossen, und es wurden die dort vereinbarten Daten an die Beklagte übermittelt. Im Juli 2022 erhielt der Kläger sodann eine Einladung der Beklagten zu einer Telefonkonferenz am 10.08.2022 für Anleger mit Nachrangdarlehen an der oben genannten Projektgesellschaft.
An dieser Telefonkonferenz hat der Kläger teilgenommen.
Der Kläger behauptet, er sei höchst verwundert und auch überaus verunsichert und verärgert gewesen, weil die Beklagte als eine für ihn unbekannte Kanzlei an seine Adressdaten gelangt sei und diese in Zusammenhang zu seinem gescheiterten Investment bei den U...- und t...-Gesellschaften gebracht habe. Er habe infolge dessen das beklemmende Gefühl erlitten, die Kontrolle über seine Daten verloren zu haben. Indem seine personenbezogenen Daten ohne seine Einwilligung der Insolvenzakte entnommen und in der Form verarbeitet worden seien, dass diese gesammelt, gespeichert und sodann zur Versendung von Werbeschreiben genutzt worden seien, habe die Beklagte gegen Vorschriften der DSGVO verstoßen. Der Beklagten sei es primär um die Mandantenakquise gegangen; dies könne die Datenverarbeitung jedoch nicht rechtfertigen.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 04.08.2023 abgewiesen. Auf dieses Urteil wird bezüglich der Feststellungen und der Begründung der Entscheidung Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, welcher beantragt:
unter Abänderung des am 04.08.2023 verkündeten Urteils des Landgerichts Dresden, Az 3 O 482/23 wie folgt zu erkennen:
1. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das billige Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch einen Betrag von 1.500,00 EUR nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
2. Die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von 75.000,00 EUR oder für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken gegen einen der Partner, es zu unterlassen, die personenbezogenen Daten der Klagepartei (Vorname, Name, Adresse, Geburtsdatum, Name des U...-Investments, Vertragsdaten des Investments, Höhe der Investition, Zahlungen in Zusammenhang mit dem Investment) zu erheben und zu verarbeiten, insbesondere zu dem Zweck, die Klagepartei Schreiben - gleich ob per Post, Mail, Fax oder auf anderem Kommunikationswege - betreffend das Vorgehen gegen die U...- und t...-Gesellschaften sowie deren Verantwortlichen bzw. die Vermittler als auch in Bezug auf das Insolvenzverfahren zuzusenden oder mit der Klagepartei auf anderem Wege bezüglic...