Leitsatz (amtlich)

Berichtigung des Eintrags eines indischen Staatsangehörigen im Geburtenregister als Vater des Kindes einer afghanischen Mutter nach rechtskräftiger Ehescheidung und rechtskräftig festgestellter Vaterschaft eines anderen Beteiligten mit afghanischer Staatsangehörigkeit.

 

Verfahrensgang

AG Dresden (Aktenzeichen 447 UR III 56/20)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 5. wird der Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 22.01.2021 aufgehoben.

2. Das Verfahren ist in beiden Rechtszügen gerichtsgebührenfrei. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um den Geburtseintrag für das am xx.xx.2015 geborene Kind M... K...

Die Mutter des Kindes (Beteiligte zu 1.), die die afghanische Staatsangehörigkeit besitzt, war mit dem Beteiligten zu 3., einem afghanischen Staatsangehörigen, verheiratet. Ihre in Afghanistan geschlossene Ehe wurde durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiberg vom 06.09.2018, rechtskräftig seit dem 16.10.2018, für nichtig erklärt. Der Beteiligte zu 2., der die indische Staatsangehörigkeit besitzt, erkannte bereits zuvor die Vaterschaft zu dem betroffenen Kind am 21.02.2017 mit Zustimmung der Beteiligten zu 1. an. Mit Beschluss vom 25.05.2020, rechtskräftig seit dem 18.07.2020, stellte das Amtsgericht - Familiengericht - Freiberg fest, dass der Beteiligte zu 2. der Vater des betroffenen Kindes ist. Die Standesamtsaufsicht hat die Sache wegen bestehender Zweifel über den einzutragenden Vater dem Amtsgericht vorgelegt.

Das Amtsgericht hat das Standesamt mit Beschluss vom 22.01.2021 angewiesen, den Beteiligten zu 2. als Vater des Kindes im Geburtenregister einzutragen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 5.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Dresden zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die von der Aufsichtsbehörde des Standesamtes (Beteiligte zu 5.) eingelegte Beschwerde ist gemäß § 51 Abs. 1 PStG, §§ 58 ff. FamFG zulässig. Die Aufsichtsbehörde ist gemäß § 53 Abs. 2 PStG beschwerdebefugt.

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die nach § 49 Abs. 2 PStG ergangene Anweisung des Standesamtes durch das Amtsgericht ist rechtswidrig.

In Fällen mit Auslandsbezug richtet sich die Abstammung eines Kindes in rechtlicher Hinsicht nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB. Nach Satz 1 der Vorschrift unterliegt die Abstammung eines Kindes dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Aufenthaltsstatut). Alternativ kann gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB die Abstammung eines Kindes im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem der betreffende Elternteil angehört (Personalstatut). Bei einer verheirateten Mutter kommt überdies das Ehewirkungsstatut des Art. 19 Abs. 1 Satz 3 EGBGB in Betracht. Sämtliche der in Art. 19 Abs. 1 EGBGB genannten Alternativen sind grundsätzlich gleichwertig (vgl. BGH, StAZ 2017, 340, 341, StAZ 2016, 374).

Entscheidend für die Vater-Kind-Zuordnung ist der Zeitpunkt der Geburt des Kindes. Ist dem Kind schon bei der Geburt nach einer der von Art. 19 Abs. 1 EGBGB zur Anwendung berufenen Rechtsordnungen nur ein Vater zugeordnet, so steht dieser jedenfalls grundsätzlich als rechtlicher Vater fest (vgl. BGH, StAZ 2018, 84). Eine einmal begründete rechtliche Vaterschaftszuordnung ist, wenn der rechtliche Vater nicht der biologische Vater ist, grundsätzlich nach dem gemäß Art. 20 EGBGB anzuwendenden Anfechtungsstatut zu beseitigen (vgl. auch OLG Düsseldorf, StAZ 2019, 301, 302). Eine erneute Beurteilung der Vater-Kind-Zuordnung zum Zeitpunkt der Eintragung in das Geburtenregister ist dagegen nicht zurückzunehmen (vgl. BGH, StAZ 2018, 281; StAZ 2017, 340, 341).

Im vorliegenden Fall führt nur das gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB anwendbare Recht des Staats Afghanistan (Personalstatut) zu einer rechtlichen Vaterschaft bei Geburt des Kindes als dem maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich zu der des Beteiligten zu 3.

Durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiberg vom 06.09.2018 ist die zwischen der Beteiligten zu 1. und dem Beteiligten zu 3. geschlossene Ehe auf der Grundlage des gemäß Art. 13 EGBGB anwendbaren afghanischen Rechts für nichtig erklärt worden (Art. 132 ff. des Afghanischen Zivilgesetzbuches). Über die abstammungsrechtlichen Wirkungen einer fehlerhaften Ehe entscheidet wegen des engen Sachzusammenhangs die Rechtsordnung, aus der sich der Mangel der Ehe ergibt (vgl. MüKoBGB/Helms, 8. Aufl., Art. 19 EGBGB Rn. 53), hier mithin das afghanische Recht. Nach Art. 222 des Afghanischen Zivilgesetzbuches wird das Kind einer Ehefrau aus einer fehlerhaften Ehe dann dem Ehemann zugerechnet, wenn das Kind frühestens sechs Monate nach dem Zeitpunkt der Vollziehung geboren worden ist. Im Falle der Aufhebung oder gerichtlichen Scheidung (der Ehe) wird das Kind dann dem Ehemann zugerechnet, wenn es spätestens innerhalb...

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