Leitsatz (amtlich)

Hat keiner der zu verklagenden Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des vor Rechtshängigkeit angerufenen OLG, ist dieses für eine Bestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht ohne weiteres zuständig (entgegen KG, Beschl. v. 12.2.2010 - 18 AR 10/10; Abgrenzung BGH NJW 2008, 3789).

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Berlin

 

Tenor

Zuständig ist das LG Berlin.

 

Gründe

I. Der in Dresden wohnhafte Antragsteller möchte die beiden Antragsgegner vor dem LG Berlin auf gesamtschuldnerische Zahlung verklagen. Der Antragsgegner zu 1, der ihm im Jahre 2007 ein Mehrfamilienhaus in P verkauft hat, wohnt in Berlin. Die Antragsgegnerin zu 2, an die der Antragsteller aufgrund entsprechender Abtretung im Grundstückskaufvertrag den gesamten Kaufpreis gezahlt hat, ist in Frankfurt/M. ansässig. Von seinem unmittelbaren Vertragspartner verlangt der Antragsteller wegen unzutreffender Angaben in einer dem Kaufvertrag beigefügten Mieterliste eine Kaufpreisminderung; die Antragsgegnerin zu 2 sei ihm insoweit aus Bereicherungsrecht verpflichtet.

In der irrigen Annahme, der Antragsgegner zu 1 wohne wie bei Vertragsschluss noch in Dresden, hat der Antragsteller am 28.12.2009 das OLG Dresden mit dem Antrag auf Bestimmung des LG Dresden angerufen. Nachdem die Antragsschrift dem Antragsgegner zu 1 nicht zugeleitet werden konnte, hat die Geschäftstellenbeamtin durch selbständige Einholung einer Registerauskunft den wahren Wohnsitz in Berlin ausfindig gemacht und dorthin die Übermittlung veranlasst. Hierüber hat der Berichterstatter die Parteien anschließend informiert und zugleich darauf hingewiesen, dass eine Bestimmungszuständigkeit des OLG Dresden nicht ersichtlich sei. Entsprechend der nachfolgenden, mit dem Antrag auf Bestimmung des LG Berlin verbundenen Bitte des Antragstellers hat der Senat das Bestimmungsverfahren am 3.2.2010 an das KG abgegeben. Dieses hat die Übernahme mit Beschluss vom 12.2.2010 - 18 AR 10/10 abgelehnt. Hier sind die Akten am 24.2.2010 wieder eingegangen.

II. Als örtlich und sachlich zuständig für die beabsichtigte Klage gegen die beiden Antragsgegner ist gem. 6 Abs. 1 Nr. 3 ZPO das LG Berlin zu bestimmen.

1. Schwierigkeiten bereitet allein die Frage, ob dem erkennenden Senat die Kompetenz für eine Sachentscheidung über den Bestimmungsantrag zukommt. Sie ist im Ergebnis zu bejahen.

a) Allerdings teilt der Senat, dem bei seiner antragsgemäßen Abgabe des Bestimmungsverfahrens die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (insb. BGH NJW 2008, 3789) vertraut war (Beschluss vom 14.5.2009 - 3 AR 35/09, juris), nicht die Sichtweise des KG.

In der zitierten, vom KG ausschlaggebend herangezogenen Entscheidung hat der BGH daraus, dass ausnahmsweise auch ein Hauptsachegericht bestimmt werden kann, in dessen Bezirk keiner der Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, zwar durchaus weitreichende und zu begrüßende Folgerungen für die Frage nach der Bestimmungszuständigkeit des (zuerst) angerufenen OLG gezogen. Aus der seit langem anerkannten Zulassung von Ausnahmen für das zu bestimmende Hauptsachegericht hat er aber für die vorgelagerte Ebene der Bestimmungszuständigkeit keineswegs eine unumstößliche Regel des Inhalts abgeleitet, dass das einmal vor Rechtshängigkeit angerufene OLG in jedem Falle zuständig sei. Das ließe sich auch nicht mit dem Gesetz vereinbaren. § 36 ZPO macht durch die Regelungen in Abs. 1 ("durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht") und Abs. 2 ("OLG., zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört") unzweifelhaft deutlich, dass auch im Rahmen von § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht jedes beliebige OLG angegangen und allein durch diese Anrufung für das Bestimmungsverfahren zuständig gemacht werden kann. In eben dieser Weise scheint das KG jedoch die Rechtsprechung des BGH misszuverste-hen, wenn es vorliegend das OLG Dresden allein wegen dessen Erstanrufung für zuständig hält und sich mit dem ergänzenden Hinweis begnügt, es komme nicht darauf an, ob einer der Streitgenossen hier seinen allgemeinen Gerichtsstand habe.

b) In Fällen "auswärtiger" allgemeiner Gerichtsstände der zu verklagenden Streitgenossen müssen vielmehr stets weitergehende objektive Anhaltspunkte vorliegen, um eine Bestimmungskompetenz des angerufenen OLG auszulösen. Andernfalls wäre es in das freie Belieben des Antragstellers gestellt, für das Bestimmungsverfahren gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ein ihm genehmes OLG auszuwählen und durch Anrufungzuständig zu machen. Diese Möglichkeit will ihm das Gesetz offensichtlich gerade nicht eröffnen.

c) Welche zusätzlichen objektiven Umstände in Konstellationen der vorliegenden Art eine Zuständigkeit des zuerst angerufenen OLG zu begründen vermögen, lässt sich kaum verallgemeinernd sagen und ist nach Ansicht des Senats nach den jeweiligen Gegebenheiten des Falles zu entscheiden.

aa) Ein ohne weiteres einleuchtender, mit dem Eingangswortlaut des § 36 Abs. 1 ZPO gut vereinbarer und deshalb zuständigkeitsbegründender Gesic...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge